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Osiris Ritual

Osiris Ritual

Titel: Osiris Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Mann
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gelöscht wurden. Newbury musterte die Gesichter der
Menschen, bis es ihm vor den Augen verschwamm. So viele
Leute . Wenn Knox wirklich hierhergekommen war, dann konnte Newbury seine
Beweggründe gut verstehen. Es war leicht, in dieser Vielfalt von Nationalitäten
und in diesem Getümmel zu verschwinden. Mühelos konnte man hier eine falsche
Identität annehmen, in einer Seitenstraße verschwinden oder sich an Bord eines
der großen Schiffe schleichen, die wie vorsintflutliche Ungeheuer im Morgenlicht
den Kai überragten.
    Sein einziger Hinweis war das eigenartige Wort, das Ashford
gemurmelt hatte, bevor er mit den Schatten verschmolzen war. Methusalem. Newbury sagte es in Gedanken immer wieder vor
sich her. Methusalem . Er kannte die Bedeutung des
Worts, denn er hatte in der Schule die Bibel studiert. Offensichtlich bezog es
sich in irgendeiner Weise auf Knox und dessen Pläne. Das Wort stand für
Langlebigkeit. Methusalem war der Sohn des Enoch gewesen, der zu Anfang der
christlichen Überlieferung unzählige Jahre gelebt hatte, da der Wille Gottes
sein Leben auf übernatürliche Weise verlängert hatte. Newbury war kein
religiöser Mann und betrachtete die Bibel nicht als wortwörtliche Wahrheit,
doch er wusste, dass es mehr Dinge in der Welt gab, als er sehen, hören und
berühren konnte; gelegentlich war er sogar selbst auf solche Erscheinungen
gestoßen. Das Reich des Übernatürlichen war nur durch einen dünnen Schleier vor
der normalen Welt verborgen. Die Grenze zwischen der Wissenschaft und dem
Okkulten, dem Ungreifbaren, war schmal. Das sagte ihm jedenfalls die Erfahrung.
    Â»Methusalem.« Endlich sprach er das Wort laut aus und versuchte, die
Bedeutung zu ergründen. Er war vor einem kleinen, primitiven Stand stehen
geblieben, hinter dem ein stämmiger Verkäufer Kekse feilbot.
    Veronica hatte zum Wasser gestarrt und drehte sich um, als sie ihn
sprechen hörte. »Methusalem?«
    Newbury nickte. »Ja, ja.« Er seufzte. »Das war das letzte Wort, das
Ashford mir sagte, als wir uns getrennt haben.«
    Veronica riss die Augen weit auf. »Methusalem? Das hat Ashford zu
Ihnen gesagt?«
    Â»Genau. Er meinte damit offensichtlich Knox.«
    Â»Ja, Sir Maurice, ganz bestimmt. Aber schauen Sie nur!« Er blickte in die Richtung, die sie ihm mit
ausgestrecktem Arm wies. Dort schaukelte ein kleines Boot sanft auf den Wellen
des Flusses, die an der Hafenmauer ausliefen. Es war ein eigenartiges Fahrzeug,
denn es erinnerte ein wenig an ein kleines Panzerschiff: überall Metallplatten
und verstärkte gläserne Bullaugen, dazu ein hoher Schornstein, der auch über
Wasser blieb, wenn das Fahrzeug tauchte, und die Insassen zugleich mit
Frischluft versorgte. Das mit Holz ausgelegte Deck war mit einem kurzen
Geländer gesichert, durch eine wasserdicht verschließbare Luke konnte man zu
den Kabinen hinabsteigen. Ein ausfahrbares Periskop ragte aus dem Deck hervor.
Also ein Tauchboot, überlegte Newbury, mit dem man längere Zeit unter Wasser
bleiben konnte. Unterseeboote waren selten, Newbury hatte im ganzen Leben nur
eines oder zwei gesehen. Dieses hier schwamm momentan zwischen zwei größeren
Schiffen im Hafen und war in der Nähe an einem Poller festgemacht. Auf dem
Rumpf des Fahrzeugs stand in kleinen schwarzen Buchstaben sein Name: METHUSALEM .
    Newbury wandte sich an Veronica. »Sie glauben doch nicht …«
    Die junge Frau nickte. »Es passt ins Bild. Das muss Knox’ Schiff
sein.«
    Newbury musste grinsen. »So will er also fliehen. Unter Wasser.
Kommen Sie!« Er lief zum Wasser und achtete sehr
darauf, nicht auszurutschen und das Gleichgewicht zu verlieren. Veronica folgte
ihm.
    Der Bug des Schiffs war einen großen Schritt von der Kante des Kais
entfernt, dazwischen schwappte trübes Themsewasser. Nach einem Blick über die
Schulter, um sich zu vergewissern, dass Veronica ihm immer noch folgte, machte
Newbury sich bereit und sprang auf das kleine Deck der Methusalem hinüber. Mit einem dumpfen Knall kam er auf, drehte sich um und forderte
Veronica mit ausgebreiteten Armen auf, ihm zu folgen. »Kommen Sie! Der Lärm hat
ihn womöglich aufgeschreckt. Wir müssen rasch handeln.«
    Veronica betrachtete ängstlich die Lücke. Dann zuckte sie mit den
Achseln, fixierte Newbury, holte Schwung und sprang. In ihrer Aufregung hätte
sie es beinahe übertrieben, doch Newbury fing

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