Osterfeuer (German Edition)
Einspruch die Energie.
Jansen fuhr fort: »Fest steht, dass
zuvor ein Kampf stattgefunden hat und insofern liegt der Schluss nahe, dass der
Treppensturz Absicht war …«
Mit einem traurigen Nicken hörte
sich Trude Jansens Ausführungen an.
»Noch einmal zu Ihrer Aussage von
gestern Nacht, Frau Kampmann«, fuhr er fort, während er seinen kleinen Notizblock
aus der Tasche zog, »Sie bleiben dabei, zwischen fünf und sechs Uhr abends hier
gewesen zu sein?«
Überrascht sah Trude ihn an und
auch Angermüller fragte sich, was Jansen damit bezweckte.
»Wieso sollte ich jetzt etwas anderes
erzählen. Ich war hier und wie ich Ihnen bereits sagte, habe ich zweimal an Frau
Friedrichsens Tür geklopft, sie aber nicht angetroffen und werfe mir jetzt noch
vor, nicht einfach die Klinke heruntergedrückt zu haben … Ich wusste ja, dass sie
ihre Türe nie abschloss und vielleicht hätte ich ihr helfen können …«
»Ja, vielleicht …«, wiederholte
Jansen, sah Trude mit einem nicht interpretierbaren Blick an und kritzelte etwas
auf seinen Block. Angermüller fragte sich, ob sein Kollege denn überhaupt keine
Augen im Kopf hatte und wie er so vernagelt sein konnte, seinen Verdacht gegen diese
Frau weiterzuverfolgen, ja, ihn sogar auf eine weitere Gewalttat auszudehnen.
»Bist du dann fertig, Kollege?«,
fragte er Jansen, ohne seinen Unmut zu verbergen. Dort wo er das obere Ende seines
Magens vermutete, begann es zu brennen, als ob er Salzsäure geschluckt hätte. Jansen
schob sich den Notizblock in die Brusttasche seiner abgeschabten Lederjacke und
hob beschwichtigend die Hand.
»Aber ja, Kollege. Alles reine Routine.«
Trude war zum Heulen. Mitten in
die Trauer über ihre hochgeschätzte Freundin platzte dieser Bulle mit dem Feingefühl
einer Brechstange und schien sie tatsächlich noch zu verdächtigen. Was hatte dieser
Typ nur für eine Sicht von der Welt? Wie konnte er die Wahrheit herausfinden, wenn
sein Horizont so beschränkt war? Er meinte es wahrscheinlich nicht persönlich, er
tat seinen Job – aber wie? Jedenfalls würde sich Trude ihm gegenüber nicht die Blöße
eines Gefühlsausbruchs geben. Sie schob ihren Kummer und den Ärger über Jansen beiseite
und sagte sich, auch sie wolle ja herausbekommen, wer Elsbeth das antun konnte.
Also richtete sie sich noch ein bisschen gerader auf und sah die beiden Polizisten
an.
»Soll ich Ihnen jetzt die Fundstelle
zeigen?«
Die beiden bejahten. Trude zog sich
ihre Regenjacke und einen Schal über und stieg an der Tür in die unvermeidlichen
Gummistiefel. Auch Jansen trug dieses praktische Schuhwerk. Angermüller hatte natürlich
nicht daran gedacht solche Vorsorge zu treffen, war er doch schon froh, überhaupt
wach und anwesend zu sein. Durch den Flur kam ein appetitlicher Weißbrotduft gezogen,
der an jedem anderen Tag bestimmt seine Neugier geweckt hätte, heute jedoch empfand
er ihn als lästig, ja aufdringlich. Diesmal hatte er seinem robusten Magen wirklich
zuviel zugemutet.
»Soll der Hund auch mitkommen?«,
erkundigte sich Trude. Nach einem kurzen Blick auf Jansen nickte Angermüller zustimmend.
»Schließlich hat das Tier ja die
Kleidungsstücke des Vermissten gefunden und vielleicht hilft uns seine Spürnase
jetzt auch weiter.«
Als sie auf den Hof traten, der
inzwischen voller Polizeifahrzeuge stand, beendete Lollo den Freudentanz, in den
er beim Anblick der Leine ausgebrochen war. Gesittet trabte er neben seinem Frauchen
her und beäugte sichtlich beeindruckt und aufmerksam die Belagerung seines sonst
so ruhigen Reviers.
Trude führte die beiden Beamten
und den Leiter des Suchtrupps am Mühlteich vorbei, den auf beiden Seiten von hohen
Büschen gesäumten Weg, den sie fast jeden Tag einmal mit Lollo entlang spazierte.
Die ungewohnte Gesellschaft und das durch die dicke Wolkendecke sehr eingeschränkte
Licht, ließ die vertraute Landschaft fremd, ja unheimlich wirken. Düster und leblos
lagen die Felder und Wiesen vor ihnen, ihre kräftigen Farben hatte der bleierne
Himmel verschluckt. Kaum vorstellbar, dass hier vor zwei Tagen die Lerchen über
dem frischen Grün in die herrlich milde Frühlingsluft gestiegen waren. Trude fand
das Wetter durchaus ihrer Stimmung und auch dem Grund ihres Hierseins angemessen,
denn wer konnte schon wissen, was die Polizei noch Schreckliches entdecken würde.
Sie hatte Lollo von der Leine gelassen und wie üblich rannte er schnüffelnd und
schnuppernd voraus und hin und her, doch Trude glaubte eigentlich nicht, dass
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