Osterfeuer (German Edition)
Mordkommission für den Fall Sandner bestand
jetzt nur noch aus sechs Leuten vor Ort und den Kriminaltechnikern in Lübeck. Nun
saßen die beiden Hauptkommissare in einem Etablissement neben dem Rathaus, das sich
sinnigerweise Rathaus-Bistro nannte, wollten eine Kleinigkeit essen und bei der
Gelegenheit noch einmal ihre ganz persönliche Sichtweise des Falles diskutieren.
In wahlloser Mischung dudelten französische
Chansons aus den Boxen und während Angermüller die Speisekarte studierte, die sich
mit Croissants, Crêpes, Quiches und Croques Monsieur auch
bemüht französisch gab, resümierte Jansen:
»Die überprüften Festbesucher hatten,
wenn keiner getürkt hat und wir es nicht übersehen haben, alle klare Alibis. Da,
wo’s unklar war, wie bei den beiden Jungs, haben wir noch einmal nachgehakt. Kann
natürlich sein, dass da noch was zu holen ist. Na ja, die fleißigen Kollegen gehen
ja ohnehin noch einmal alle Aussagen durch. Und wenn es die Kampmann nicht war,
die ja ein Motiv hätte und niemanden, der ihr Alibi bestätigen kann, dann bleibt
nur der große Unbekannte, der mitten in der Nacht aus den Büschen gesprungen ist
…«
Angermüller schaute aus der Speisekarte
hoch.
»Wenn du so willst, gibt es den
ja. Bis heute ist dieser Penner, der sich uneingeladen auf dem Fest durchgesoffen
hat, noch nicht wieder aufgetaucht … Für mich ist ein sexuelles Motiv in diesem
Fall überhaupt noch nicht vom Tisch: Wie diese Margot Sandner geschildert wurde,
ihr Verkehr mit den beiden Jungs, dass man sie mit nacktem Unterleib gefunden hat
… vielleicht hat dieser Typ sie beobachtet und wollte es auch bei ihr probieren!«
Angermüller hatte sich in Fahrt
geredet und seine Stimme war immer lauter geworden. Beschwichtigend hob Jansen die
Hände.
»Man ganz ruhig, Schorsch! Es wird
ja auch intensiv nach Krischan Lage gefahndet. Dass wir ihn bisher nicht vernehmen
konnten, ist allerdings das Einzige, was gegen ihn spricht, denn uns wurde mehrfach
erzählt, dass es nichts Ungewöhnliches ist, wenn er mehrere Tage abgängig ist, um
seinen Rausch auszuschlafen.«
Diese Feststellung freute Angermüller
offensichtlich nicht und er murmelte eine unverständliche Antwort und vertiefte
sich dann wieder in die Speisekarte.
»Also, ich nehm einen großen Milchkaffee
und zwei Buttercroissants. Was nimmst du?«, fragte er zwei Minuten später aufgeräumt
seinen Kollegen, unbelastet von den düsteren Gedanken der letzten Nacht über den
Zusammenhang zwischen Nahrungsaufnahme und Gewicht. Jansen musste lachen.
»Man braucht dich nur vor eine Speisekarte
setzen und du vergisst das Elend um dich herum! Ich möchte einen schwarzen Kaffee
und einen Croque Monsieur Vienne, oder wie das heißt.«
»Na, ob das echt französisch ist?
Ein Croque mit Wiener Würstchen?«, mokierte sich Angermüller.
»Weißt du was?«
Jansen winkte dem jungen Mädchen
im bauchfreien Top, das hier bediente.
»Das ist mir wurscht, wie man in
deiner Heimat sagt! Jetzt erzähle mir lieber mal, was dir vorhin im Kopf herumgegangen
ist. Das Gesicht, das du gemacht hast, als sich alle auf die Kampmann als Hauptverdächtige
stürzten, war nicht gerade fröhlich.«
Von freundlichem Bemühen weit entfernt,
schob sich die große, solariumgebräunte Blondine Kaugummi kauend heran, hielt ihnen
ihren gepiercten Bauchnabel vors Gesicht, nahm ihr Kellnerblöckchen in die Hand
und sah sie gelangweilt an. Stumm nahm sie die Bestellung entgegen, ging davon zum
Tresen und gab dabei den Blick auf ein Drachentattoo auf ihrer linken Schulter frei.
Fasziniert sah ihr Jansen hinterher und bemerkte: »Bekommen die hier eigentlich
Zuschüsse, wenn sie stumme Mitarbeiterinnen einstellen?«
Angermüller grinste und wurde dann
wieder sachlich:
»Also, ich finde, du fährst zu eingleisig
in diese Richtung Mord aus Rache oder Eifersucht. Was ist mit der nach wie vor verschwundenen
Unterhose? Vielleicht taucht die ja zusammen mit dem Penner auf! Mir geht das alles
zu schnell. Ihr habt die Verdächtigungen dieser Betty Oppel sofort für bare Münze
genommen. Da verdächtigt eine Frau, die offensichtlich den Mord an einer Freundin
in nächster Nähe nicht verkraftet und völlig überreagiert, eine angeblich ebenfalls
gute Freundin dieser Tat. Für mich übrigens nach dem Zufallsprinzip. Warum kann
es eigentlich nicht diese Dr. Iris Schulze gewesen sein?«
»Die hat kein Motiv!«
»Woher weißt du das? Die Oppel muss
ja nicht über alles und jedes bei ihren Freundinnen Bescheid
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