Osterfeuer (German Edition)
wissen.«
»Aber der Unfall am Steilufer ist
schon ein merkwürdiger Zufall, findest du nicht?«, hielt Jansen dagegen. Angermüller
wiegte seinen Kopf hin und her.
»Noch haben wir diese Betty Oppel
nicht einmal vernehmen können. Vielleicht bestätigt sie ja die Angaben von Frau
Kampmann, dass es ein Unfall war …«
»Da bin ich aber echt gespannt!
Wenn ich mal ganz ehrlich etwas sagen darf: Du lässt dich für meine Begriffe in
diesem Fall zu sehr von deinen ganz persönlichen Sympathien leiten.«
Jansens offene, persönliche Kritik
löste bei Angermüller nur ein Achselzucken aus.
»Ach weißt du, Claus, ich glaub
schon, dass auf meine Menschenkenntnis Verlass ist, du wirst es erleben …«
»Ich verlasse mich lieber auf die
Tatsachen.«
»Kannst du haben: Da sind noch die
Faserspuren in der Hand der Toten und die Haut unter den Nägeln. Friedemann hat
das Jackett und die Haare darauf, die er für eine DNA-Analyse braucht, schon bekommen.
Er sagte vorhin am Telefon, dass wir spätestens morgen Abend wissen, ob das alles
Frau Kampmann zuzurechnen ist. Und wenn das so ist, dann müsste ich mich solchen
Indizien natürlich geschlagen geben … und deshalb heißt es erst einmal abwarten.«
»Ich denke, wir sollten trotzdem
schon jetzt noch einmal mit den Menschen aus der Umgebung von der Kampmann reden«,
schlug Jansen vor. Die hochbeinige Bedienung brachte ein Tablett, stellte lustlos
die dampfenden Schalen mit Kaffee vor den Beamten auf den Tisch und entfernte sich
wieder ohne ein Wort. Angermüller hielt die Nase über seinen Milchkaffee und fächelte
sich das Aroma zu.
»Mmh! Net amal schlecht! – Ja, gut.
Es ist bestimmt kein Fehler, noch einmal mit ihrem Mann und der alten Dame zu sprechen
und auf jeden Fall auch noch einmal mit dieser Frau Doktor.«
»Und wir müssen einen Besuch bei
Betty Oppel im Krankenhaus machen, sobald sie vernehmungsfähig ist!«
»Ruf am besten gleich noch mal in
der Klinik an!«, meinte Angermüller und setzte sich zurück, weil die stumme Blonde
gerade lustlos die beiden Teller mit den bestellten Speisen auf den Tisch schob.
Jansen holte sein Handy heraus und Angermüller fragte die Bedienung:
»Avez-vous un peu de la confiture?«
Sie sah ihn verständnislos an und
fragte dann unwillig:
»Kannste kein Deutsch oder wat?«
»Oh wie schön, Sie sprechen Deutsch!
Das habe ich bisher nicht bemerkt. Könnten Sie mir etwas Konfitüre bringen?«
»Und mir bitte Ketchup!«, fügte
Jansen schnell hinzu und feixte hinter ihrem Rücken, als sie auf ihren Plateauschuhen
missmutig zum Tresen stakste. Während Jansen mit dem Krankenhaus telefonierte, tunkte
Angermüller sein Croissant in den Milchkaffee und biss dann erwartungsvoll hinein.
Leider blieb das Aha-Erlebnis aus, denn es war das übliche schwere, pappige, nach
kaltem Fett schmeckende deutsche Hörnchen, das mit einem luftigen, knusprigen französischen
Croissant nichts zu tun hatte. Er hätte es eigentlich schon am Gewicht spüren müssen.
Da inzwischen die Konfitüre gekommen war, nahm er sich davon einen dicken Klecks
und hoffte, das Hörnchen damit etwas aufpeppen zu können. Wie so oft, wenn er beim
Essen war, klingelte sein Handy und als er den Anruf entgegennahm, stand ihm die
Überraschung ins Gesicht geschrieben.
Leise, doch irgendwie fordernd summte der Laptop, der in der Mitte
des Schreibtisches vor dem Fenster in Trudes kleinem Arbeitszimmer stand. Sie saß
davor und ihre Augen starrten den blinkenden Cursor an, ohne ihn wirklich wahrzunehmen.
Draußen veranstalteten Wind und Wolken ihr beliebtes Spiel aus Licht und Schatten
und Trude bemühte sich um Konzentration auf ihre Arbeit an den Rezepten ostholsteinischer
Gutshöfe. Immer wieder wanderten ihre Gedanken zu Betty im Krankenhaus, zu Margot,
die, wenn nicht auf dem Seziertisch, dann in einem Kühlfach im Institut für Rechtsmedizin
in Lübeck lag, und zu den Ereignissen, die damit zusammenhingen. Sie hatte sich
so auf diese Ostertage mit Iris und Betty gefreut und Margot hatte, wie schon so
oft, alles kaputt gemacht.
Mit einem beleidigten Geräusch schaltete
sich der Laptop aus, da Trude noch keinen einzigen Buchstaben geschrieben hatte,
und der Bildschirm wurde schwarz. Ihr Blick fiel auf das zerfledderte Notizheft
mit der steilen, altmodischen Handschrift der letzten Gutsköchin, das ihr netterweise
die Gräfin Berkenthin für ihre Recherchen überlassen hatte. Überbackenes Kalbshirn
stand da. War dieses Rezept überhaupt zeitgemäß? Wer wollte
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