Osterfeuer (German Edition)
als Mörderin
vorzustellen. Sicherlich sah man ihr ihre fünfundsiebzig Jahre nicht an und sie
wirkte körperlich durchaus kräftig und fit, doch einen Menschen umbringen, könnte
sie das?
Elsbeths starre Haltung löste sich
etwas und mit klarer Stimme erklärte sie:
»Ich habe nicht schlafen können
und dachte, etwas frische Luft würde mir vielleicht gut tun. Ich gehe des Öfteren
nachts ein bisschen spazieren. Am Mühlteich kam mir diese Person entgegen. Sie war
betrunken.«
»Und weiter? Haben Sie miteinander
gesprochen?«
»Ich sagte höflich ›Guten Morgen‹, worauf sie nicht antwortete. Sie
verhielt sich mir gegenüber sehr ungehörig …«
Die von Elsbeth ohnehin stockend
vorgetragenen Worte kamen ganz zum Stillstand. Obwohl Angermüller kein Wort von
dem glaubte, was die alte Dame vorgab, in der Tatnacht gesagt oder getan zu haben,
fragte er geduldig nach:
»Was genau hat denn Frau Sandner
getan?«
Elsbeth sah ihn voller Unwillen
an, doch dann nahm sie einen neuen Anlauf, das Geschehen wiederzugeben.
»Sie war sehr … sehr aggressiv …
und ja, sehr ordinär in ihrer Ausdrucksweise … Mein Gott, so genau erinnere ich
mich auch nicht mehr …«
»Sie behaupten, Sie erinnern sich
nicht mehr«, sagte Jansen mit einer nicht zu überhörenden Schärfe in der Stimme,
»doch scheint ja dieses Verhalten, wenn nicht der Grund, so doch zumindest der Anlass
gewesen zu sein, dass Sie Margot Sandner ermordeten, wie Sie behaupten. – Dann schildern
Sie uns jetzt bitte ganz genau, wie Sie dabei vorgingen!«
»Ich habe Ihnen doch bereits gesagt,
dass ich sie in den Mühlteich stieß und dann ihren Kopf so lange unter Wasser hielt,
bis sie sich nicht mehr bewegte …«
Man konnte ganz klar spüren, welche
Überwindung es die Frau kostete, diesen grausamen, gewalttätigen Akt zu beschreiben.
Angermüller schaute sie prüfend an und sagte dann:
»Ich hatte gehofft, Sie würden uns
etwas anderes erzählen und damit alle unsere Probleme lösen. Schade!«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen,
Herr Kommissar. Ich kann nur erzählen, was passiert ist.«
»Eben. – Frau Sandner ist nämlich
nicht durch Ertrinken gestorben.«
Einen Augenblick schien Elsbeth
Friedrichsen irritiert zu sein, doch dann erklärte sie:
»Ich habe vergessen, zu erwähnen,
dass ich dieser Person erst einen schweren Stein auf den Kopf geschlagen habe. Und
weil ich dachte, sie ist noch nicht tot, habe ich sie in den Mühlteich gezogen und
ihren Kopf unter Wasser gedrückt.«
Angermüller und Jansen warfen sich
einen Blick zu. Sie wussten, dass es auch so nicht gewesen sein konnte und jeder
für sich beglückwünschte sich innerlich, dass die Ergebnisse der Obduktion bisher
nicht an die Öffentlichkeit gedrungen waren. Beiden war absolut klar, dass die alte
Dame niemals die Täterin sein konnte, doch warum wollte sie partout die Schuld auf
sich nehmen? Angermüller ließ sich nicht anmerken, dass ihn auch diese Tötungsvariante
nicht befriedigte und setzte an einem anderen Punkt an:
»Warum haben Sie Margot Sandner
getötet? Doch nicht einer etwaigen Ungehörigkeit wegen. Was war Ihr Motiv, Frau
Friedrichsen?«
Diese Antwort kam schneller als
Angermüller erwartet hatte.
»Die Frau war böse. Sie sah nur
ihren eigenen Vorteil und zerstörte rücksichtslos das Glück anderer Menschen. Ich
habe sie von Anfang an nicht gemocht …«
»Sie haben uns bei Ihrer ersten
Zeugenvernehmung gesagt, dass Sie Frau Sandner so gut wie nicht kannten – woher
wissen Sie dann, was für ein Mensch sie war?«
Elsbeth blickte Angermüller gerade
heraus an und sagte in überzeugtem Ton:
»Wissen Sie, in meinem Alter hat
man schon eine gewisse Menschenkenntnis erworben und außerdem hat mir die Frau meines
Schwiegersohnes einige Dinge erzählt …«
»Sie verstehen sich gut mit Frau
Kampmann?«
»Sie ist für mich wie eine Tochter.«
Das ist der Punkt, dachte Kommissar
Angermüller und der Gedanke war ihm ausgesprochen unangenehm. Die alte Frau hatte
von dem ungeheuren Verdacht gegen ihre angenommene Tochter erfahren und würde nun
alles tun, um Trude Kampmann zu schützen, vor wem oder was auch immer. Diese Tatsache
freute ihn gar nicht, sprach sie doch gegen die Frau, von der ihm sein Gefühl immer
noch und immer wieder sagte, sie ist es nicht gewesen.
»Frau Friedrichsen, es tut mir leid,
Ihnen sagen zu müssen, dass wir immer noch glauben, dass Sie uns nicht die Wahrheit
gesagt haben über das, was s ie über
Frau Sandners Tod wissen …«
Unter
Weitere Kostenlose Bücher