Osterfeuer (German Edition)
anderen Umständen hätte jemand
wie Elsbeth Friedrichsen einen solchen Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen und
vehement widersprochen, doch sie fühlte sich scheinbar überhaupt nicht davon betroffen.
Jansen hatte seine Wanderung von Wand zu Wand abgebrochen und wippte mit unverhohlener
Ungeduld von den Fersen auf die Fußspitzen. Für ihn war das Maß an vornehmer Zurückhaltung
schon lange voll.
»Sie haben uns jetzt schon eine
Menge Zeit gekostet mit all den Märchen, die Sie uns erzählt haben, Frau Friedrichsen!
Wenn Sie geglaubt haben, wir warten nur, bis jemand ›hier!‹ schreit und verhaften
ihn, ohne nach dem genauen Hergang zu fragen, Hauptsache, wir haben einen Täter,
haben Sie sich gewaltig getäuscht. Es ist mir klar, dass es Ihnen egal ist, wenn
ich Ihnen mit Strafe für Falschaussagen drohe, wenn Sie sogar bereit sind, unschuldig
für jemand anderen ins Gefängnis zu gehen …«
Sein aufgebrachter Ton bewirkte
zumindest, dass Elsbeth seinen Worten sehr aufmerksam folgte.
»… aber vielleicht gibt es Ihnen
zu denken, wenn ich Ihnen sage, dass s ie
dem Täter oder der Täterin mehr schaden als nützen. Je länger unsere Suche sich
hinzieht, desto härter wird die Strafe ausfallen. Und eines kann ich Ihnen versichern:
Wir geben nicht auf, bevor wir den Mörder oder die Mörderin gefunden haben.«
Es war nicht schwer zu erkennen,
dass Elsbeth dieser rüde Ton gar nicht gefiel.
»Mein Kollege hat recht, Frau Friedrichsen.
Wenn Sie jemandem helfen wollen, dann tun Sie das am ehesten mit der Wahrheit«,
sagte Angermüller freundlich und Jansen bekräftigte:
»Wir finden es sowieso heraus. Also,
was wissen Sie?«
Elsbeth Friedrichsen erwiderte nichts,
ihre Fingerknöchel traten weiß hervor, so presste sie das Taschentuch in ihren Händen.
Gespannt beobachteten sie die beiden Kommissare. Schließlich holte sie tief Luft
und sagte dann leise: »Es tut mir leid, etwas anderes habe ich nicht zu sagen.«
Jansen konnte seine Frustration
nicht länger zurückhalten und sprang von seinem Stuhl hoch. Mit einem kurzen Wink
bedeutete er Angermüller, ihm vor die Tür zu folgen.
»Müssen wir uns das eigentlich noch
lange bieten lassen?«, knurrte er draußen auf dem Flur.
»Die weiß irgendwas und will jemanden
schützen und wir wissen beide, wer das ist!«
Angermüller hob resigniert die Schultern.
»Was willst du machen? Willst du
die alte Dame in Beugehaft nehmen? Was ja auch nichts nützen würde, wie wir wissen.
Ich fürchte, wir haben kein Druckmittel in der Hand …«
Laut hörbar atmete Jansen aus.
»Oh Mann, deine Ruhe möchte ich
haben! Denkst du, die Kampmann weiß davon, dass ihre mütterliche Freundin sich als
brutale Mörderin ausgibt?«
»Auf gar keinen Fall!«, äußerte
Angermüller bestimmt. »Selbst wenn Trude Kampmann unsere Täterin sein sollte – was ich
nach wie vor nicht glaube, wohlgemerkt – würde sie es nie akzeptieren, dass die
alte Dame für sie ins Gefängnis ginge!«
Er wusste nicht, woher er die Gewissheit
nahm, jetzt, wo sogar die alte Frau nicht an die Unschuld ihrer Ersatztochter zu
glauben schien, aber Georg Angermüller sah ganz klar, dass sie auf einer falschen
Fährte waren. Er spürte es immer deutlich, wenn er einem Täter nahe kam, als ob
ein innerer Seismograph ganz feine Vibrationen abfangen würde, die die Chemie zwischen
ihm und dem Verdächtigen störten. In diesem Fall war es bisher in seinem Inneren
absolut ruhig geblieben, wenn er mit Trude Kampmann zu tun hatte.
»Ich denke, wir sollten ihr jetzt
erst mal ganz klar sagen, dass wir glauben, dass sie uns nur diese Lügengeschichten
auftischt, um den Verdacht von Trude Kampmann abzulenken, vielleicht knickt sie
dann ja ein«, bemerkte Jansen. Da er auch keinen besseren Vorschlag hatte, stimmte
Angermüller zu und sie gingen zurück zu Elsbeth Friedrichsen, die immer noch in
derselben geraden Haltung auf dem unbequemen Holzstuhl saß.
»Frau Friedrichsen«, begann Angermüller,
»ich will ganz offen sein: Wir glauben leider kein Wort von dem, was s ie uns erzählt haben. Wir wissen, dass
Sie nicht die Täterin sein können. Wir glauben, s ie nehmen die Schuld am Tod von Margot Sandner auf sich, um den
Verdacht von Frau Kampmann abzulenken.«
Angermüller achtete aufmerksam auf
ihre Reaktion. Ein kleines Zucken mit den Lidern vielleicht, aber sonst war Elsbeth
nicht anzumerken, dass diese Behauptung sie irgendwie tangierte.
»Das Einzige, was ich dazu sagen
kann, ist, dass Trude keine Schuld
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