Osterfeuer (German Edition)
langsam die Stufen emporgeklettert, um einen Blick in den
oberen Wohnraum zu werfen. Es sah aus wie immer. Die beiden über Eck stehenden Biedermeiersofas
mit ihrer bunten Kissensammlung, dazwischen das zierliche Tischchen und an der Wand
die Vitrine mit den alten Weingläsern und Mokkatassen. Auch Elsbeths zahlreiche
Topfpflanzen standen an ihren gewohnten Plätzen. Eines allerdings passte nicht ins
Bild: Die Spuren von Blumenerde auf dem Teppichboden, die offenbar jemand hastig
mit den Händen zusammengefegt hatte. Trude sah genauer hin. Mehrere Blätter der
großblättrigen Calla, die in der vordersten Reihe stand, waren abgeknickt und in
dem großen Tontopf klaffte ein Sprung.
»Ich denke, Sie haben recht Doktor
Bach. Wir sollten die Polizei benachrichtigen«, bestätigte Trude während sie die
Stufen herabstieg. In ihrem Gesicht zeichneten sich Kummer und Anspannung deutlich
ab, aber sie zitterte nicht mehr. Sie war fest entschlossen, alles zu tun, um herauszufinden,
was mit Elsbeth geschehen war.
14
Ein Wohlgeruch aus Knoblauch und Olivenöl erfüllte die Luft und erstaunlich
leichtfüßig für seine massige Figur tänzelte Georg Angermüller zwischen Spüle, Anrichte
und Herd hin und her. Zwar fand er es bedauerlich, dass er den freien Abend jetzt
allein verbringen musste, doch er machte das Beste daraus. Draußen war es dunkel,
nasskalt und regnerisch und das machte Lust auf ein warmes Essen, das schön leicht
den Magen füllte und von innen wärmte. Mit gekonnter Routine bereitete er sich eine
große Schüssel Spaghetti aglio, olio, peperoncino, schön scharf und mit extra viel
Knoblauch. Darüber rieb er noch reichlich frischen Parmesan, öffnete eine Flasche
Barolo und legte eine CD von Paolo Conte ein. Augenblicklich fühlte er sich angenehm
entspannt, vergaß die Tote vom Mühlenhof, sämtliche Rätsel, die der Lösung des Falles
noch im Wege standen, und die Sorgen, die er sich um die sympathische Kochbuchautorin
machte, die seine Kollegen für die Täterin hielten.
Nach dem Essen machte Angermüller
es sich mit einem Buch auf dem Sofa im Erker bequem und ahnte schon im Voraus, dass
die Horizontale seiner Aufmerksamkeit wenig zuträglich sein würde. Es war kurz nach
zehn, als ihn die Melodie seines Handys aus dem Schlummer schreckte. Wenig später
war es mit der Beschaulichkeit vorbei und er zog im Flur seufzend seinen Lodenmantel
über. Als er das Haus verließ, kamen ihm im Vorgarten Astrid und die Kinder entgegen.
»Papi, Papi! Es war so toll heute!
Schade, dass du nicht dabei warst!«, schrieen Julia und Judith begeistert, hängten
sich an seinen Hals und fingen beide gleichzeitig an, über ihren aufregenden Tag
auf dem Lande ins Detail zu gehen.
»Mädels, tut mir leid, aber ich verstehe kein Wort, wenn ihr beide
gleichzeitig auf mich einquasselt! Außerdem habe ich jetzt keine Zeit, denn ich
muss leider noch einmal weg …«
Er warf einen entschuldigenden Blick
in Astrids Richtung, die spöttisch sagte:
»Ich bin sowieso erstaunt, dass
du schon zu Hause bist. Habt ihr den Fall gelöst und du gehst jetzt feiern?«
»Schön wär’s«, seufzte ihr Mann.
»Ich hatte uns heute Abend frei
gegeben, weil ich dachte, wir könnten alle eine kleine Atempause vertragen. Tja
… und jetzt kriege ich einen Anruf, dass es auf dem Mühlenhof wohl ein weiteres
Opfer gibt …«
»Wer ist ermordet worden, Papi?«,
fragten die Zwillinge wie aus einem Munde und ziemlich laut in die stille Straße.
»Das geht euch nun wirklich nichts
an, ihr neugierigen Mäuse. Sagt Papa gute Nacht und dann ab mit Euch!«, trieb Astrid
energisch ihre enttäuscht maulenden Töchter an. Ein Blaulicht zuckte in der Dunkelheit
auf. Jansen kam seinen Kollegen abholen. Angermüller gab seiner Frau einen Kuss
auf die Wange.
»Tut mir leid, Schatz! Ich hatte
mir diesen angebrochenen Abend auch netter vorgestellt … Wart nicht auf mich, es
wird bestimmt spät.«
»Manchmal denk ich schon, es wäre
netter, wenn ich einen Grundschullehrer geheiratet hätte. Der wäre jeden Nachmittag
zu Hause und die Ferien erst … Machs gut mein Bär!«
Die sonst so gemütlich schummrige Wohnküche in der Mühle wurde von
den aufgestellten Scheinwerfern in ein unangenehm grelles Licht getaucht. Regungslos
saß Trude zwischen Franz und Olli an dem runden Holztisch und nahm die vielen fremden
Leute, die plötzlich den Raum füllten, wie hinter einer Glasscheibe wahr. Der Anblick
der am Boden liegenden, toten Freundin blieb ihr erspart,
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