Osterfeuer (German Edition)
immer noch Feiertag und draußen kam die Abenddämmerung.
Eine kleine Entspannungsphase würde ihnen allen gut tun.
Als sie in Jansens Wagen in eine
der kleinen Lübecker Straßen einbogen, die auf die Wakenitz zuliefen, seine Straße,
fühlte Georg Angermüller wie sich innerer Frieden in ihm auszubreiten begann. Der
Anblick der schmucken, Wand an Wand stehenden Bürgerhäuschen, der ihn an englische
Stadtbilder erinnerte, vermittelte ihm augenblicklich das Gefühl von Heimat und
Geborgenheit.
Das war nicht immer so. Als die
Zwillinge unterwegs waren und sie eine größere Wohnung suchten, hatten seine Schwiegereltern
darauf bestanden, für die junge Familie eine Immobilie zu erwerben. Beim Anblick
des Hauses meinte er damals jedes Mal, ihm würde seine Unfähigkeit vor Augen geführt,
der Tochter aus gutem Hause nicht den ihr gebührenden Lebensstandard bieten zu können.
Es hatte Astrid viel Überzeugungsarbeit gekostet, bis ihr Dickschädel Georg das
großzügige Geschenk anzunehmen bereit war, das sie sich von ihrem eigenen Geld in
dieser bevorzugten Lübecker Wohnlage niemals hätten leisten können. Astrid mahnte
ihn auch, sich emanzipiert zu zeigen. Schließlich müsse auch ein Mann annehmen können.
Er hatte trotzdem darauf bestanden, wenigstens die Instandsetzungsarbeiten ohne
fremde Hilfe durchzuführen und dank Astrids gestalterischer Begabung war mit wenig
finanziellem Aufwand aus dem Haus ein echtes Juwel geworden.
Es dauerte dann gar nicht so lange
und Angermüller hatte seine Anfangsskepsis vergessen. Entgegen seinen Erwartungen
verlangten seine Schwiegereltern keine ständigen Dankbarkeitsbezeugungen und Astrid,
er und die Kinder lebten seither glücklich und zufrieden in den geschenkten vier
Wänden. Mittlerweile hätte er diese Oase familiärer Harmonie, diesen Ort des Rückzugs
von seinem manchmal recht harten Berufsalltag nicht mehr missen wollen. Als er jetzt
in keinem der Fenster Licht brennen sah, war er ein wenig enttäuscht. Er hatte gar
nicht mehr daran gedacht, dass Astrid und die Mädchen heute ihren Ausflug aufs Land
unternommen hatten und so wie er die Freunde dort kannte, nötigten sie ihre Gäste
bestimmt, zum Abendessen zu bleiben.
»Gute Nacht, Claus! Bis morgen früh
in alter Frische!«
»Tschüß, Schorsch! Ich hol dich
ab. Gleiche Stelle, gleiche Welle?«
»Ich hab nicht vor, heute woanders
zu übernachten.«
Die gute Stube des Overbeckschen Gutshauses mit ihrer unbescheidenen
Ansammlung exquisiter Stilmöbel und goldgerahmter Ölgemälde glänzte im Licht des
mächtigen Kronleuchters und der vielen Kerzen in den schweren Silberleuchtern. Über
allem schwebte eine Duftwolke teurer Parfums, vermischt mit dem fauligen Geruch
hartgekochter Eier. Zu zwölft saß man an der damastgedeckten Tafel, das Dessert
stand bereit und der Hausherr füllte die Gläser der Gäste bereits zum sechsten oder
siebten Mal mit einem Kornschnaps, den er seit Jahren aus einer kleinen Privatbrennerei
bezog und den zumindest er für eine Delikatesse hielt.
Trude hatte an dem scharfen Getränk
nur genippt und erfolgreich verhindern können, dass Knut ihr erneut eingoss, denn
erstens wollte sie sich noch ans Steuer setzen und zweitens lohnte dieses Gebräu
auch nicht den Rausch, den es unwiderruflich verursachte. Nach einer wohlschmeckenden
Kraftbrühe mit Eierstich, gefolgt von kleinen Speck-omeletts mit Käse, waren Verlorene
Eier auf Toast mit Crevetten und Champignons serviert worden, die zwar nicht zu
höheren Gaumenfreuden beitrugen aber angesichts ihrer Bezeichnung das hervorriefen,
was Rieke als dolle S-timmung zu bezeichnen pflegte.
»Na Knut, verlorene Eier – schreckliche
Vorstellung, was?«
Ede Bartels, der Landmaschinenhändler
glänzte normalerweise nicht durch geistreiche Konversation, aber zu diesem Thema
konnte er endlich auch seinen Teil beitragen. Der angesprochene Knut ließ den erwarteten
Lacher hören und fragte zurück:
»Hast du entsprechende Erfahrungen?
Lass doch mal sehen!«
Die Mehrzahl der Damen am Tisch
schrie in wohligem Entsetzen auf. Auf diesem Niveau plänkelte sich die Gesellschaft
bis zum Hauptgang, riesige Platten mit Bergen hartgekochter Eier, dazu diverse Dips,
eingelegte Gemüse und Salate. Obwohl die männlichen Gäste sämtlich das jugendliche
Alter überschritten hatten – vielleicht gerade deswegen –, konnten sie es nicht
lassen, darum zu wetteifern, wer von ihnen denn nun die meisten Eier verzehren konnte.
Trude kannte ihre dämlichen Witze
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