Osterfeuer (German Edition)
da die Holztreppe nach
oben die Sicht behinderte. Immer wieder ließ Trude die Ereignisse der vergangenen
Stunden vor ihrem inneren Auge Revue passieren und fragte sich, was sie hätte tun
können, um nicht geschehen zu lassen, was jetzt geschehen war. Seit sie von dieser
lächerlichen Selbstbezichtigung erfahren hatte, wollte sie mit Elsbeth reden, doch
sie hatte sie nie angetroffen. Vielleicht hätte sie einfach Elsbeths Wohnung betreten
sollen, auch wenn sie keine Antwort auf ihr Klopfen erhalten hatte. Ihre Türe schloss
die alte Frau ja nie ab. Vielleicht hätte Trude dann irgendetwas verhindern oder
ihr irgendwie helfen können.
Das Auftauchen des nicht unsympathischen,
großen Kommissars und seines weniger charmanten Kollegen riss sie aus ihren Gedanken.
»Guten Abend. Es tut mir leid, dass
wir uns jetzt unter diesen Umständen hier schon wieder treffen, Frau Kampmann«,
bemerkte mitfühlend der Franke in seiner ruhigen Art. Ihm war natürlich Trudes blasses,
angespanntes Gesicht nicht entgangen. Er gab ihr, Franz und Olli die Hand und wenn
er auch keine entsprechenden Worte machte, so erweckte diese Geste doch den Eindruck
einer persönlichen Beileidsbezeugung. Der andere Kommissar hielt sich im Hintergrund
und schwieg.
»Und leider müssen wir Ihnen allen
dreien jetzt natürlich ein paar Fragen stellen …«
»Das geht schon in Ordnung, Herr
Kommissar. Ich, oder besser: wir alle drei haben großes Interesse daran, zu erfahren,
was mit Elsbeth geschehen ist und wenn es wirklich Mord war, dann will ich auch
wissen, wer ihr das angetan hat …«
Etwas brüchig klang Trudes Stimme,
aber der Unterton von fester Entschlossenheit war nicht zu überhören. Oliver, Franz
und sie gaben nun zu Protokoll, wann sie Elsbeth zuletzt gesehen hatten, wann und
wie sie gefunden worden war und beantworteten eine Menge weiterer Fragen. Zwischendurch
stellte Angermüller ihnen den leitenden Gerichtsmediziner vor, einen eleganten Mann
von unaufdringlicher Freundlichkeit, der Doktor Bachs Umsicht lobte und bestätigte,
dass Elsbeth am Hals Spuren von Gewalteinwirkung trug, die nicht auf den Sturz von
der Treppe zurückzuführen waren. Die genaue Todesursache würde er allerdings erst
nach einer gründlichen Untersuchung im Institut nennen können.
»Ja, ich denke, das war’s für heute.
Sie sind bestimmt froh, wenn s ie sich
jetzt endlich zurückziehen können. Ich danke jedenfalls für Ihre Geduld«, beendete
Kommissar Angermüller die Befragung. Jansen, der sich die ganze Zeit nicht zu Wort
gemeldet hatte, fügte hinzu: »Wenn Ihnen noch etwas einfällt, von dem Sie glauben,
es ist wichtig: Sie wissen ja, wie Sie uns erreichen können …«
Beim Anblick von Jansens übernächtigter,
missmutiger Miene fiel Trude schlagartig ein, was ihr beim letzten Zusammentreffen
mit diesem unangenehmen Menschen ebenso schlagartig entfallen war. Er war es gewesen,
der ihr von Elsbeths absurder Selbstanzeige erzählt hatte und damit war ihr ursprüngliches
Vorhaben völlig in Vergessenheit geraten. Trude gab Oliver die Wagenschlüssel.
»Sei bitte so freundlich! Im Kofferraum
liegt eine voll gestopfte Plastiktüte. Holst du die bitte herein?«
Kurz darauf brachte Oliver das Gewünschte
und zog sich dann zurück. Trude drückte die Tüte dem überrascht dreinschauenden
Jansen in die Hand.
»Das habe ich, oder besser: mein
Hund heute Nachmittag da hinten in den Knicks gefunden.«
»Und was ist da drin?«, fragte Jansen
mürrisch.
»Die Jacke, die Krischan am Sonnabend
auf dem Fest getragen hat. Und seine rotweiße Fliege mit den Punkten.«
»Wer ist Krischan?«
Es war Jansen anzumerken, dass seine
Geduld um diese späte Stunde noch engere Grenzen als gewöhnlich hatte.
»Krischan ist ein Schulkamerad meines
Mannes, den es aus der Bahn geworfen hat. Eigentlich ein netter Kerl, aber leider
mittlerweile ein Sozialfall und schwerer Alkoholiker …«
Jansen schien immer noch nicht zu
wissen, was daran für ihn interessant sein sollte, doch Angermüller fragte plötzlich
lebhaft:
»Der Mann heißt Christian Lage?
Und er war auf dem Fest am Sonnabend, sagen Sie?«
Trude bejahte.
»Mensch Jansen, der Zeuge, der uns
noch fehlt! Das ist doch der Mann, der seit Sonnabendnacht abgängig ist und den
kein Mensch seitdem gesehen hat!«
Endlich schien Jansen zu wissen,
wovon sein Kollege sprach, und er reagierte, wie man es nicht anders von ihm erwarten
konnte: »Warum haben Sie uns Ihren Fund denn nicht früher übergeben? Das kann
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