Ostfriesenblut
schwarzen Krawatte glänzte ein Fettfleck.
»Sie müssen entschuldigen«, sagte er. »Ich komme gerade vom Krankenhaus. Für meine Frau war das alles zu viel … «
Trotzdem war Herr Kühlberg gut vorbereitet. Er hatte sogar den vom Arzt ausgefüllten Totenschein dabei. Herzversagen stand dort. Kommentarlos reichte Ann Kathrin den Schein an Weller weiter. Sie fand, dass Herzversagen so ziemlich die dümmste Bezeichnung auf einem Totenschein war, denn natürlich versagte am Ende bei einem Menschen das Herz, sonst würde er ja noch weiterleben. Sie erinnerte sich an einen früheren Fall, da war einem Karatekämpfer beim Training das Genick gebrochen worden. Im Totenschein hatte auch gestanden: Tod durch Herzversagen.
Weller gab den Schein an Herrn Kühlberg zurück. »Können Sie mir etwas über die Todesumstände Ihrer Schwiegermutter sagen?«, fragte Ann Kathrin Klaasen.
Kühlberg nickte und zündete sich eine Zigarette an. »Als wir am Sonntag wie immer zum Kaffeetrinken zu Besuch gekommen sind, haben meine Frau und ich Regina tot in ihrem Bett gefunden. Wir haben sofort den Arzt angerufen, das Weitere kennen Sie ja.«
Nach drei, vier Zügen drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus, obwohl sie noch nicht mal zu einem Drittel geraucht war. Der Glimmstängel wirkte im Aschenbecher auf Ann Kathrin wie ein Insekt, das gerade erschlagen worden war.
Jetzt sah Ralf Kühlberg Ann Kathrin Klaasen misstrauisch, ja lauernd, an. Er wollte wissen, ob man seine Schwiegermutter bei ihr vor die Tür gelegt hätte.
Sie nickte. »Ja. Woher wissen Sie … «
»Ein ehemaliger Klassenkamerad von mir, Pit Budde, ist bei der Polizei. Er war auch mit auf der Beerdigung.«
»Haben Sie eine Vorstellung, wer so etwas gemacht haben kann?«
Doch Ralf Kühlberg konnte sich absolut nicht vorstellen, wer ein Interesse daran haben sollte, ihm und seiner Frau so einen Streich zu spielen.
Normalerweise wartete Ann Kathrin Klaasen auf Obduktionsberichte Tage. Diesmal ging es in wenigen Stunden. Und die Ergebnisse kamen telefonisch. Rupert rief sie an: »Hallo, du glaubst nicht, was hier gerade per E-Mail angekommen ist. Von wegen natürlicher Tod! Die gute Frau hatte seit mindestens drei Tagen nichts mehr gegessen und auch keine Flüssigkeit zu sich genommen. An ihren Hand- und Fußgelenken sind Hämatome, die von Fesselungen stammen. Obwohl die Leiche gut gewaschen und professionell zurechtgemacht worden ist, finden sich an ihren Handgelenken noch Spuren von einem Klebeband, mit dem man sie offensichtlich fixiert hatte. Beim Abreißen haben sich Hautfetzen gelöst. Der Rest besteht aus dem üblichen Kauderwelsch, für das man ein Medizinstudium hinter sich haben müsste.«
»Danke«, sagte Ann Kathrin.
Herr Kühlberg merkte sofort, dass sich etwas an seiner Situation grundlegend geändert hatte. Ann Kathrin Klaasen ging einmal um ihn herum und betrachtete ihn jetzt mit ganz anderen Augen.
Kühlberg griff in die rechte Anzugtasche nach seiner Zigarettenschachtel, doch Ann Kathrin Klaasen fuhr ihn scharf an: »Bitte lassen Sie die Hände aus den Taschen!«
Er stand verdattert da und begriff nicht, was los war. Weller kapierte sofort, dass Rupert Ann Kathrin etwas gesagt hatte, wodurch Kühlberg zu einem Verdächtigen wurde.
Ann Kathrin forderte Weller mit einem Blick auf, Kühlberg abzutasten. Weller fand aber keine Waffe, er zog nur die Zigaretten aus der Tasche, einen Kugelschreiber, eine Brieftasche und ein großes Schlüsselbund.
»Was ist denn los?«, fragte Kühlberg.
»Wenn Sie und Ihre Frau Regina Orthner am Sonntagnachmittag hier tot im Bett gefunden haben, wie erklären Sie sich dann, dass sie deutliche Fesselspuren aufweist?«
Das Gesicht des Mannes wurde noch teigiger und weicher, als es ohnehin schon war. Seine Lippen zitterten, und auf seiner Stirn bildete sich kalter Schweiß.
»Ich … ich … «
Ann Kathrin Klaasen nickte. »Ja, wir hören.«
Ralf Kühlberg ließ sich in einen Sessel fallen und sackte vollständig in sich zusammen.
Weller hatte überhaupt keine Lust, sich diese Show jetzt anzugucken. »Was ist hier eigentlich Trumpf? Ich schlage vor, wir nehmen den Herrn mit, und wir unterhalten uns dann in Ruhe miteinander.«
»Nein, nein, das ist nicht nötig«, stöhnte Kühlberg. »Ich sag Ihnen ja die ganze Wahrheit. Kann ich nur bitte erst ein Glas Wasser haben?«
Ann Kathrin Klaasen wollte schon in die Küche gehen, um ihm das Wasser zu holen, aber Weller zischte: »Sie kennen sich ja hier wohl
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