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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Leichensack. Sie konnte weit ins Viertel hineinschauen. Die Straßenlaternen waren an, aber sie hätte jetzt eine Flutlichtbeleuchtung gebraucht, um zu erkennen, ob die Zweige im Kirschbaum da hinten auf der anderen Straßenseite von Vögeln bewegt wurden oder von einem Menschen, der sich dort im dichten Gestrüpp versteckte.
    Ihr Anruf hatte die übliche Kette ausgelöst, und natürlich waren die Kollegen aus Norden viel eher bei ihr als Weller aus
Aurich. Dafür brachte er gleich die Spurensicherung mit. Schon war die Umgebung ihres Hauses abgesperrt wie ein richtiger Tatort.
    Außer ihrem Twingo und dem Wagen der Post war – nach Ann Kathrins Wissen – in den letzten Tagen niemand über die roten Steine in ihrer Einfahrt gefahren. Doch die Spurensicherung fand noch verschiedene andere Reifenabdrücke.
    Kollegen befragten die Nachbarn, ob sie etwas Verdächtiges bemerkt hätten, während Ann Kathrin Klaasen mit Weller in der Küche saß. Sie hatte einen Filterkaffee aufgebrüht. Weller trank ihn brav, ohne eine Miene zu verziehen, aber sie wusste, dass er es normalerweise ablehnte, Filterkaffee zu trinken. Seit er selbst die neue Espressomaschine im Büro in der Polizeiinspektion aufgestellt hatte, konnte er mindestens so fachkundig über Kaffeezubereitung sprechen wie die Ostfriesen über ihre Teerituale.
    Von draußen drückte eine für Ostfriesland ungewöhnliche Schwüle herein. Aber vielleicht, dachte Ann Kathrin Klaasen, empfinde nur ich das so. Kriege ich Hitzewallungen?
    Sie zog ihre Schuhe aus und stellte die Füße unterm Tisch auf die angenehm kühlen Steinfliesen.
    Doktor Bill stellte fest, dass es sich bei der Leiche um eine sechzig- bis siebzigjährige Dame handeln müsste, die seit mindestens fünf Tagen tot war.
    »Jemand hat die Leiche gewaschen und einbalsamiert«, sagte er. »Danach hat man ihr saubere Kleidung angezogen. Sie ist zurechtgemacht wie … «
    »Für eine Beerdigung?«, fragte Ann Kathrin Klaasen.
    Doktor Bill nickte.
    Weller hatte schon sein Handy am Ohr. Er wollte nicht warten. Diese Sache hier war zu merkwürdig, zu bedeutsam. Er beschloss, noch heute Nacht ein paar Kollegen aus dem Bett zu holen.
    Er sprach mit Rupert. »Entweder fehlt irgendwo eine Leiche, oder der Täter hat die Frau irgendwo aufbewahrt, und als er nicht mehr wusste, wohin, bei Ann abgelegt. Keine Ahnung, welcher Irre so etwas macht. Ich kann mich an keinen ähnlichen Fall erinnern. Veranlasse, dass Krankenhäuser und Leichenhallen abgefragt werden.«
    Ann Kathrin nippte an ihrem Kaffee. Komischerweise hatte sie das Gefühl, der Kaffee würde die Hitze aus ihrem Körper vertreiben.
    Rupert fragte nach dem Alter der Leiche und genaueren Erkennungsmerkmalen. Weller flippte sofort aus: »Ja, glaubst du etwa, dass irgendwo zwei Leichen fehlen?« Dann hopste er herum und äffelte: »Oh, bei Ihnen haben sie eine blonde vierzigjährige Leiche gestohlen! Nein, das ist nicht die, die wir suchen. Wir haben eine schwarzhaarige Siebzigjährige gefunden. Ja, tut uns auch leid!« Dann wurde er wieder ernst: »Mensch, wir wollen hier jede vermisste Leiche in ganz Ostfriesland gemeldet haben!«
    Weller klappte sein Handy zusammen und steckte es in die Anzugjacke. Früher hatte er es wie einen Colt am Gürtel getragen. Seit einiger Zeit war er dazu übergegangen, kurzärmelige Hemden anzuziehen und darüber lockere, helle Sommerjacken aus gefärbten Leinenstoffen. Er bewahrte das Handy in der rechten Jackentasche auf, und die sah nun auch so ausgebeult aus, dass jeder, der wusste, dass er ein Kriminalbeamter war, glaubte, er trage darin seine Waffe.
    Ann Kathrin sah Doktor Bill an: »Ist die Frau eines natürlichen Todes gestorben?«
    Der Arzt zuckte mit den Schultern. »Das kann ich so auf Anhieb nicht sagen. Das müssen Sie schon durch eine Obduktion abklären lassen. Allerdings … «
    So, wie er auf die Kaffeetasse sah, wollte er auch gerne einen Schluck. Ann Kathrin bot ihm sofort einen Kaffee an und nahm sein Satzende auf: »Allerdings … was?«
    »Allerdings lassen die Umstände, unter denen wir die Leiche gefunden haben, darauf schließen.«
    Weller grinste. Kriminalistische Schlussfolgerungen von Ärzten oder anderen Fachfremden amüsierten ihn meistens nur.
    »Was soll das heißen:
Die Umstände, unter denen wir die Leiche gefunden haben?
Meinen Sie alle Leichen, die vor Ann Kathrins Tür abgelegt werden, sind grundsätzlich auf natürliche Art und Weise gestorben?«
    Weller guckte Ann Kathrin an, als würde er ein

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