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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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sollte sich jemand unerkannt bei ihr herumtreiben können.
     
    Es war ein Leichtes für ihn gewesen, da hereinzuhacken und die Webcams auf seinen Computer zu schalten.
    Jetzt saß er nicht weit von ihr entfernt im Flökeshauser Weg in seinem Auto, den Laptop auf den Knien, und wartete darauf, dass sie auf seinem Bildschirm zu sehen war. Natürlich war es unvergleichlich viel schöner, sie direkt zu beobachten. Aber die Webcam war besser als gar nichts. Er verglich das mit einem Rockkonzert. Zu Hause, im Fernseher, sah man die Interpreten sicherlich besser. Aber die eigentliche Stimmung sprang nicht wirklich über. Dazu musste man schon dabei sein, im wogenden Rhythmus der Körper.
     
    Ann Kathrin Klaasen fuhr am Haus von Rita und Peter Grendel vorbei. Der gelbe Firmenwagen stand vor der Tür: Eine Kelle für alle Fälle. Peter lud eine Leiter ab.
    Ann Kathrin dachte an die Flecken im Badezimmer und die undichte Stelle im Dach. Sie hielt an und fragte Peter, ob er nicht mal danach sehen könnte. Er lachte sein breites Lachen und war bereit, gleich mit rüberzukommen, doch es war bereits nach elf. Ann Kathrin wollte Rita und Peter nicht einen der letzten schönen Sommerabende vermiesen. So eilig war das mit dem Dach nun auch wieder nicht. Sie schlug vor, er solle kommen, wenn er gerade mal Zeit hätte.
    Er war ein vertrauenswürdiger Mensch. Sie hätte ihm einfach einen Haustürschlüssel gegeben, doch er meinte, dazu brauche
er nicht ins Haus, sondern nur aufs Dach, und das könne er auch, wenn Ann Kathrin nicht da sei.
    Rita lud Ann Kathrin zu einem Grillabend ein. Man müsse die letzten lauen Sommerabende auskosten.
    Ja, dachte Ann Kathrin, das könnte guttun. Und wenn ich komme, werd ich euch auch ganz bestimmt nichts über den Tod meines Vaters und die Banküberfälle der letzten Jahre in ganz Europa erzählen.
     
    Sie sah es schon von weitem. Zunächst wirkte es auf sie wie ein Tier, das gekrümmt vor ihrer Haustür hockte. Ein großer Hund oder ein Schaf. Dann, als sie näher kam, glaubte sie, der Wind habe wieder mal Plastikmüllsäcke vor ihre Haustür geweht. Doch am nächsten Tag wurde in der Siedlung kein Müll abgeholt. Warum sollte jemand seine Säcke rausgestellt haben?
    Als sie zur Garageneinfahrt einbog, ließ der Bewegungsmelder die Lichter anspringen. Es war tatsächlich ein Plastiksack, aber keiner, wie er hier für Müll verwendet wurde, sondern sie kannte solche Säcke aus der Gerichtsmedizin.
    Es war ein Leichensack! Er konnte noch nicht lange da liegen, denn er war trocken. Für einen winzigen Moment hoffte Ann Kathrin Klaasen, dass sich jemand einen dummen Scherz gemacht hatte, und in dem Sack würde sich eine Schaufensterpuppe befinden.
    An einigen Stellen pappte die weiße Plastikhaut am Körper fest und ließ ihn durchschimmern.
    In solchen Momenten wurde Ann Kathrin nicht panisch, sondern sehr ruhig. Eigentlich hätte sie das alles gar nicht berühren dürfen, denn sie war nicht im Dienst und hatte keine Gummihandschuhe bei sich. Später würde sie sich wahrscheinlich darüber ärgern, sie wusste es. Aber trotzdem musste sie sich jetzt davon überzeugen, ob ihr Verdacht richtig war.
    Mit spitzen Fingern fasste sie den Reißverschluss an und öffnete
die Folie ein paar Zentimeter. Es schlug ihr ein süßlicher Verwesungsgeruch entgegen, gemischt mit dem von Kernseife und Lavendel.
    Ann Kathrin Klaasen sah die Wangenknochen einer toten Frau.
    Zum ersten Mal im Leben stieg sie buchstäblich über eine Leiche, um in ihr Haus zu kommen. Sie rief sofort ihre Kollegen in der Polizeiinspektion Aurich an. Sie kannte den Dienstplan genau und war glücklich, Weller am Telefon zu haben.
    Ihre Stimme klang unaufgeregt, ja sachlich, als sie sagte: »Vor meiner Tür liegt eine Leiche.«
    »Ich hatte mal ein großes, totes, schwarzes Pferd im Garten«, lachte Weller.
    »Das ist kein Scherz.«
    Er kam sich jetzt vor wie der letzte Idiot. »Ich bin gleich bei dir!«, rief er. »Ist der Täter noch in der Nähe? Bist du bewaffnet?«
    Ann Kathrin Klaasen nahm ihre Heckler & Koch P 2000 aus der Handtasche am Garderobenschränkchen, entsicherte sie und lief in die Küche. Von dort gelangte sie durch die Terrassentür in den Garten. Sie hatte das Gefühl, der Täter könne noch hier sein. Vielleicht konnte sie ihn überraschen.
    Sie lief an der Hecke vorbei, zwischen den Birnbäumen und den Gartenmöbeln zur Garage und war mit zwei Klimmzügen oben. Vom Garagendach aus sah sie ihren Hauseingang mit dem

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