Ostfriesenblut
Hilfe.«
»Du steigerst dich da in was hinein!«, rief er hinter ihr her, doch da lief sie schon die Treppen hinunter.
Sie kann so halsstarrig sein, dachte er. So dickköpfig. Und irgendwie liebte er sie auch dafür.
Würde ich, fragte er sich, auch morgens um sechs losrennen, um irgendeinen Liebhaber von Renate zu retten? Er war sich ganz sicher, dass er es nicht tun würde. Das würde er seinen Kollegen überlassen und dabei hoffen, dass sie zu spät kämen. Ja, das war schäbig von ihm, aber er war noch zu verletzt, um freundlich zu Renate zu sein.
Hero und Ann Kathrin trafen sich auf dem Parkplatz am Hafen. Ann Kathrin hatte sich eine Mütze von Weller aufgesetzt, aber ihre blondierten Haare guckten lang genug darunter hervor, sodass genau das passierte, was sie eigentlich verhindern wollte. Hero sprach sie auf ihre blonden Haare an: »Hast du dir die Haare gefärbt?«
»Guten Morgen«, antwortete sie mürrisch. »Das spielt doch jetzt überhaupt keine Rolle.«
Er trug sein Handballtrikot mit der Nummer 4 hintendrauf.
»Das ist hier keine verdeckte Ermittlung unter Joggern«, sagte sie. »Wir können ganz normal herumlaufen.«
»Normal?«, fragte er und sah auf ihre Mütze.
»Also. Wir werden jetzt den Weg ablaufen, den sie normalerweise nimmt. Und jede Person, die uns begegnet, ansprechen. »
Dann verlangte sie das Foto. Er reichte ihr eine Farbaufnahme von seiner Susanne. Sie trug darauf sogar den bunten Jogginganzug. Hero hatte das Bild mit seinem Farbdrucker zweimal auf DIN -A 4 -Größe ausdrucken lassen.
Ann Kathrin wusste, dass Hero kein besonders gutes Verhältnis zu Hunden hatte, seit er während seiner Studienzeit als Aushilfspostbote einmal gebissen worden war. Sie war gemein genug, ihm die Strandseite zuzuteilen, denn da hatte er es hauptsächlich mit Hundebesitzern zu tun.
»Sie ist vermutlich oben am Deich langgelaufen, oder?«
Hero nickte.
»Okay«, sagte sie. »Du nimmst alle Leute auf der Meeresseite, ich die auf der Norddeich zugewandten Seite.«
Er nickte. Noch hatte er nicht durchschaut, dass sie ihm damit den Hundestrand angedreht hatte. »Wieso«, fragte er, »sind eigentlich deine Kollegen nicht dabei? Warum machen wir beide das alleine?«
Ann Kathrin antwortete barsch. Sie wollte sich auf keinen Fall irgendwie von ihm einwickeln lassen. »In dieser Phase einer Vermisstenmeldung können meine Kollegen noch gar nicht aktiv werden. Sonst bräuchten wir doppelt so viele Polizeibeamte, wie wir haben. Und glaub mir, bei uns ist die Situation im Moment sehr angespannt. Die haben alle echt etwas anderes zu tun.«
»Dann tust du das hier nur … für mich?«
Ihr Gesicht versteinerte. »Ich tue es, um mir später nicht vorwerfen lassen zu müssen, ich hätte nichts getan. Und jetzt los.«
Die Monstrosität ihrer Vermutung teilte sie ihm nicht mit. Vielleicht stellte sich ja alles als Irrtum heraus. Sie hatte Angst,
als narzisstisch dazustehen, als ein Mensch, der durch übersteigertes Ego alles auf sich selbst bezog und sich zum Mittelpunkt der Welt machte, als würde sich alles nur um sie drehen.
Hero Klaasen sah auf der Höhe vom Utkiek die Lehrerin mit ihren beiden Pudeln kommen. Er lief hin. Es war ein klarer Morgen. Das Meer glitzerte. Juist und Norderney waren deutlich zu erkennen. Ein Krabbenkutter, verfolgt von gut hundert kreischenden Möwen, versuchte sein Glück.
Die Schönheit des Anblicks verschlug Hero für einen Moment fast den Atem. Dann lief er auf die Frau zu, bat sie, sich nicht zu erschrecken. Er zeigte das ausgedruckte Foto vor und fragte. »Haben Sie gestern Susanne Möninghoff gesehen?«
»Sind Sie von der Polizei?«
»Ich … nein, ich bin … «, er machte es sich einfach: » … ihr Mann.«
Die beiden Pudel mochten es nicht, wenn ihr Frauchen früh morgens am einsamen Strand angesprochen wurde, und kläfften Hero an. Jetzt begriff er, warum Ann Kathrin ihm diese Deichseite zugeteilt hatte. Sie wollte sehen, ob seine Liebe zu Susanne Möninghoff so groß war, dass er für sie seine Angst vor Hunden überwand.
Oben auf dem Deichkamm hielt Ann Kathrin ein joggendes Pärchen an und zeigte denen das Bild. Sie stoppten nicht einmal, sondern warfen ihr nur genervte Blicke zu.
»Hey, hey, hey! Augenblick mal!« Ann Kathrin hielt ihren Dienstausweis hoch. »Das hier ist eine polizeiliche Ermittlung. Hätten Sie bitte die Freundlichkeit, stehen zu bleiben? Ich will nicht hinter Ihnen herlaufen.«
»Wir joggen«, stellte der grau melierte
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