Ostfriesenblut
Beobachtungsanlagen.«
»Aber warum? Ich verstehe dich wirklich nicht.«
Sie legte den Kopf schräg, kämmte sich mit den Fingern einmal durch die Haare und lächelte. »Wenn ich das richtig verstanden habe, sind diese Webcams batteriebetrieben. Wenn er meine Steckdosen benutzt hätte, wäre mir das bestimmt aufgefallen.«
»Jaja«, nickte Charlie Thiekötter, »da hast du recht.«
»Und was glaubst du, wie lange diese Batterien halten?«
»Eine Woche. Vielleicht zwei. Keine Ahnung. Kommt drauf an, wie oft sich so eine Webcam einschaltet.«
Ihr Lächeln wurde verschmitzt und immer breiter. »Siehst du, Charlie. Ich werde ihm eine Show bieten, dass die Dinger heiß laufen.«
Charlie Thiekötter verstand nicht, worauf sie hinauswollte. »Und dann?«, fragte er empört. »Glaubst du etwa, er kommt, um die Batterien auszuwechseln, oder was?«
Sie nahm den spöttischen Ton zur Kenntnis, ging aber nicht darauf ein.
»Glaub mir, er wird kommen. Und dann, Charlie, dann haben wir ihn.«
»Das ist nicht dein Ernst.«
»Hast du eine bessere Idee?«
»Ann Kathrin, als dein Kollege muss ich ganz energisch dagegen protestieren.«
»Ich weiß, was du sagen willst, aber ich kann dabei keinen Polizeischutz gebrauchen. Er würde die Kollegen in meinem Haus sehen. Er ist ja weder blind noch bescheuert. Und wenn sie in der Umgebung meines Hauses lagern, sieht er sie garantiert auch. Vielleicht über seine digitale Überwachung oder einfach so, indem er als einsamer Spaziergänger vorbeischlendert. Der überlässt nichts dem Zufall, das wissen wir doch. Der einzige Polizist, der in meinem Haus sein kann, ohne dass er Verdacht schöpft, ist … «
Sie presste ihre trockenen Lippen aufeinander, kramte in ihrer schwarzen Handtasche nach einem Lippenstift.
»Weller«, vervollständigte Charlie ihren Satz. Er hatte noch nie gesehen, dass Ann Kathrin Lippenstift benutzte. Es kam ihm fast so vor, als würde Ann Kathrin sich für diesen Irren schön machen.
Charlie Thiekötter war ein bedächtiger Mann, der gerne das Für und Wider abwog und Schwierigkeiten hatte, sich zu entscheiden. Ann Kathrin dagegen fällte Entscheidungen manchmal blitzschnell aus dem Bauch heraus und nahm sich danach viel Zeit, alles logisch zu begründen
»Ich weiß nicht, was ich von der ganzen Sache halten soll, Ann Kathrin. Das ist doch alles … «
Sie ließ ihn nicht ausreden: »Erst mal sollst du es für dich behalten. Wenn die Kollegen irgendeinen Aufstand machen, ständig bei mir Polizeiwagen kreisen oder mein Haus von weitem beschattet wird, verjagen wir ihn. Glaub mir. Wir haben diese eine Chance, dass er uns in die Falle geht. Wir dürfen sie nicht vermasseln.«
Ubbo Heide leitete die Sitzung. Er hatte tiefe schwarze Ränder unter den Augen und eine ungesund gelbgräuliche Hautfarbe. Seine Lippen wirkten blutleer und der ganze Mann energielos. Er zupfte an den Ärmeln von seinem weißen Hemd herum. Seine Finger hatten an den Manschetten schon dunkle Flecken hinterlassen.
Thomas Hagemann ist dabei, aus uns einen Haufen Zombies zu machen, dachte Weller. Wenn er sehen könnte, wie unser Chef aussieht, würde er sich bestimmt großartig fühlen.
Gleichzeitig versuchte Weller, einen Blick auf den Spiegel zu erhaschen, um festzustellen, ob er selbst nicht vielleicht genauso fertig aussah. Rupert erwischte ihn dabei und grinste, weil Weller auf ihn merkwürdig selbstverliebt, ja gockelhaft, wirkte.
Staatsanwalt Scherer fehlte bei dem Treffen. Niemand ging darauf ein.
Rupert kaute Kaugummi und spielte die ganze Zeit mit seinem Kugelschreiber.
Sämtliche Ergebnisse wurden zusammengetragen, um alle auf den gleichen Wissensstand zu bringen. Wieder nahmen ein Kollege aus Jever und einer aus Oldenburg teil. Aber auch aus den anderen Städten, in denen Thomas Hagemann zugeschlagen hatte, aus Essen, Bamberg und Olpe, waren Kollegen angereist. Sie waren noch nicht ganz überzeugt, dass damals Morde übersehen worden waren, doch in jedem Fall waren Obduktionen beantragt worden. Nur bei Karl Fink ging das nicht, denn seine Verwandten hatten sich für eine Feuerbestattung entschieden.
Die Entwicklungen im Fall Susanne Möninghoff trug Ann Kathrin Klaasen nicht vor. Das überließ sie Weller, und er machte es hervorragend, ganz in ihrem Sinne. So als würde er über eine völlig fremde Person reden.
»Wir gehen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass der Mörder und Entführer Thomas Hagemann
heißt. Er war Zögling in dem Heim,
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