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Ostfriesenblut

Ostfriesenblut

Titel: Ostfriesenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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antwortete er sachlich, als würde er Unterricht geben, »die vergleichbar sind mit dem zerfallenen Jugendheim, in dem wir die Inschrift gefunden haben. Thomas Hagemann wusste ja offensichtlich, dass wir dorthin kommen würden, und hat dort die Nachricht für uns hinterlassen. In einem ähnlichen Gebäude, groß, mit Kellerräumen, das schon lange nicht mehr genutzt wird, könnte er sie gefangen halten.«
    »Und wieso nicht in einer Ferienwohnung in Nessmersiel?«, fauchte Schimanski, und jetzt ahnte Weller, warum dieser Mann so merkwürdig ungehalten war. In Ostfriesland war seine Ehe zerplatzt. Bei einem nervigen Urlaub mit seiner Frau und ein paar quengeligen Kindern.
    »Es gibt doch hier Ferienwohnungen en masse«, fuhr Schimanski fort, und es klang wie eine Anklage. »Da zeigt doch kein Mensch seinen Ausweis. Wir haben das damals telefonisch gemietet und dann … «
    Na also, dachte Weller. Na also.
    »Da achtet auch keiner drauf, wenns mal etwas lauter wird und jemand rumbrüllt. Wer kann schon Kindergeschrei von echten Hilferufen unterscheiden?«
    Weller freute sich diebisch. Ich hatte recht, dachte er. Etwas in ihm triumphierte. Er hasst die Landschaft und alle, die hier wohnen. Außerdem haben wir ihm nachgewiesen, dass sie in Essen einen Mordfall übersehen haben, das kränkt ihn natürlich. Er will sich nicht von ein paar blöden Ostfriesen zeigen lassen, wo es langgeht.
    Menschen aus dem Ruhrgebiet teilten sich für Weller in zwei Gruppen ein: die, die Ostfriesland liebten, davon träumten, für immer dort zu wohnen und jeden freien Tag nutzten, um ans Meer zu fahren. So, wie sie die Landschaft liebten, so mochten sie auch die Ostfriesen und ihre stille Art. Und dann die anderen,
für die Ostfriesen einfach nur Deppen waren, die Nordsee kein richtiges Meer, weil sie die Schönheit des Watts nicht kannten, sondern es nur matschig fanden, dreckig und doof. Sie brauchten weiße Sandstrände in der Karibik und empfanden es als persönliche Beleidigung, wenn das Meer sich bei Ebbe zurückzog. Schließlich hatten sie Kurtaxe bezahlt, daraus leiteten einige den Anspruch ab, das Meer habe ständig da zu sein und türkisblau zu leuchten wie die Strände auf Mauritius im Reiseprospekt.
    Ubbo Heide hatte inzwischen etwas Kraft getankt. Er sah nicht mehr ganz so energielos aus. Er krempelte seine Hemdsärmel auf, spannte seine Muskulatur an und sagte dann: »Ann, mir wäre es das Allerliebste, du würdest dich eine Weile ganz aus der Sache zurückziehen. Mir ist das irgendwie unheimlich. Kannst du nicht einfach vierzehn Tage Urlaub auf Mallorca machen oder sonst wo?«
    »Das kann ich nicht«, antwortete sie. »Wirklich nicht.« Sie sah sich unter ihren Kollegen um. »Ihr könnt doch jetzt nicht von mir verlangen, dass ich so tue, als hätte ich mit all dem nichts zu tun.«
    »Das ist es ja gerade. Du hast viel zu viel damit zu tun«, bestätigte Ubbo Heide.
    Rupert meldete sich: »Ein Zahnarzt zieht sich auch nicht selber einen Weisheitszahn.«
    »Du kannst Polizeischutz haben«, bot Ubbo Heide an.
    Weller wäre sofort dafür gewesen, doch Ann Kathrin schüttelte den Kopf. »Nein. Bitte erspart mir das. Ich gehe einfach ein paar Tage zu … meiner Mutter.«
    Weller wusste sofort, dass dies eine Lüge war, und er wunderte sich, warum die anderen es nicht merkten.
     
    Draußen vor der Tür der Polizeiinspektion zündete Weller sich sofort eine Zigarette an.
    »Lass uns später telefonieren«, bat Ann Kathrin. »Ich muss jetzt ein bisschen alleine sein, Frank. Ich hoffe, du verstehst das.«
    Er kämpfte gegen das Gefühl an, sie beschützen zu müssen. Sie drehte sich noch einmal zu ihm um und sagte: »Danke. Du warst klasse vorhin. Du hast mir wirklich sehr geholfen.«
    »Ich hab’s zumindest versucht. Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich … «
    »Doch, doch. Du warst prima. Danke.«
    »Ist zwischen uns noch alles in Ordnung?«, fragte er.
    Sie nickte. »Na klar. Mit uns hat das alles nichts zu tun.«
    Wenn das nur wahr wäre, dachte Weller. Ich fürchte, das hat mehr mit uns zu tun, als wir wahrhaben wollen.
    Er fühlte sich beschissen bei dem Gedanken, dass sie in ihr Haus zurückgehen würde und dort von Thomas Hagemann bei jeder Bewegung beobachtet werden konnte. Es hatte keinen Sinn, ihr zu widersprechen. Sie war dickköpfig und würde ihre Sache sowieso durchziehen. Aber es passte ihm überhaupt nicht. Er spürte sogar so etwas wie einen Stich Eifersucht. Dieser Verrückte war ihr jetzt näher als er

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