Ostfriesengrab
herumläuft? Die ermittelnden Behörden haben doch die Fahndung längst aufgegeben und den Fall zu den Akten gelegt. – Ja, hohes Gericht, wenn es ein Verbrechen ist, dass ich den
Mörder meines Vaters überführen möchte, dann bekenne ich mich schuldig.«
Ann Kathrin neigte den Kopf vor dem imaginären Gericht, um dann mit erhobenem Haupt umso schärfer fortzufahren: »Ich würde es immer wieder tun und ich werde nicht eher ruhen, bis der brutale Killer hinter Schloss und Riegel sitzt.«
»Bravo«, sagte Weller. »Bravo. Standing Ovations. Aber die Anwältin wird dir den Namen nicht geben. Es sei denn … «
Weller vernachlässigte die regennasse Fahrbahn und sah länger zu Ann Kathrin herüber als ein umsichtiger Fahrer verantworten konnte. »Du willst ihm doch nicht wirklich helfen, dass er aus dieser Sache rauskommt, oder? Das ist doch hier alles nur eine Finte, oder nicht?«
Weller fuhr auf der B 210 kurz vor Marienhafen an den rechten Fahrbahnrand.
»War das nicht sogar deine Idee?«, fragte sie nach.
»Bitte, Ann, versteh mich nicht falsch, aber … «
Sie verzog den Mund. »Ich weiß, ich weiß. Manchmal sagt man so was eben einfach dahin, aber man meint es nicht wirklich, stimmt’s? Komm, steig aus. Lass es mich alleine erledigen.«
»Ann, wie wirst du dich fühlen, wenn er im Gerichtssaal freigesprochen wird? Okay, nehmen wir an, deine Informationen sind richtig und du schnappst dann den Mörder deines Vaters. Dann läuft ein Mörder frei herum und einen anderen hast du eingesperrt. So eine Art Bäumchen-wechsel-dich. Aber was machst du, wenn er dann die nächste Frau umbringt?«
»Das wird er nicht tun. Er ist kein Lustmörder. Es war ein typisches Vertuschungsverbrechen.«
Automatisch schaltete sich der Verkehrsfunk ein. Anke Genius gab ein paar Meldungen durch. Die schweren Regenfälle hatten einige Straßen unpassierbar gemacht, und ein schwerer Unfall auf der A 28 behinderte den Verkehr zwischen Emden und Oldenburg.
Weller schrie das Radio an: »Schnauze!« Dann drückte er den roten Knopf.
»Ich will die Chance haben, mit ihm alleine zu sein. Ohne seine Anwältin«, stellte Ann Kathrin klar.
»Und wie soll das gehen?«
»Vielleicht … wenn du mir hilfst. Wenn alles vorbei ist. Wenn er sich in Sicherheit wiegt und wieder zurückgefahren werden soll, wird sie garantiert nicht mit in den Gefangenentransporter steigen.«
»Wir auch nicht, Ann.«
Sie lächelte.
Er ahnte, was sie vorhatte, und schüttelte den Kopf. »O nein, Ann, du meinst doch nicht ernsthaft … « Dann pfiff er leise durch die Lippen. »Deswegen kanntest du dich so genau aus und hast die Gesetze über den Gefangenentransport so klar zitiert.«
Ann Kathrin nickte.
»Wie wollen wir das den Kollegen Schrader und Benninga verklickern?«
»Sind die nicht beide in deinem Skatclub?«
Weller fühlte sich in die Enge getrieben. Mein Gott, dachte er, du hast sie unterschätzt. Die ist total abgezockt.
»Ja. Nein. Ich meine, doch, natürlich. Aber das ist nicht so, wie du denkst. Ich kann doch nicht einfach … «
Sie sah ihn an wie ein schmollendes Kind. »Ja, ich weiß schon. Erst alles versprechen und dann nichts halten. Erst ›Ich tu alles für dich‹, aber dann, so ein kleiner Gefallen … «
»Kleiner Gefallen?«
Wellers Magen rebellierte. Er massierte sich mit der rechten Hand den Bauch und stöhnte: »Ich glaube fast, du hast mich angesteckt. Ich fühl mich, als hätte ich eine tote Katze gegessen.«
Der Parkplatz gegenüber von Schloss Lütetsburg war nicht asphaltiert. Der lang anhaltende Regen hatte den Boden in einen schlammigen Morast verwandelt.
Ann Kathrin und Weller warteten im Auto auf die Kollegen aus Duisburg. Inzwischen hatte Ann Kathrins Magen sich beruhigt, dafür ging es Weller umso schlechter. Er verließ das Fahrzeug kurz, um sich an einen Baum gelehnt zu übergeben. Dann begab er sich klatschnass zu Ann Kathrin in den VW -Passat zurück. Er hatte einen Entschluss gefasst. Sein Verstand rebellierte dagegen und sein Körper erst recht, aber etwas in ihm war stärker und hatte sich gegen alle Widerstände durchgesetzt.
»Ich liebe dich, Ann«, sagte er und dabei roch sie seinen säuerlichen Atem. Seine Augäpfel waren blutunterlaufen.
»Ich will das zwischen uns nicht aufs Spiel setzen. Ich weiß, das klingt idiotisch, aber ich will mit dir glücklich sein oder mit dir untergehen. Aber ich will, dass wir zusammenbleiben. Wenn alles schiefgeht, dann werden wir eben in Norddeich eine
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