OstfriesenKiller
Untersuchungsmethoden!«
Um die Situation zu entschärfen, löste Ann Kathrin ihren Kollegen zunächst ab: »Ulf Speicher hat lange beim Jugendamt und beim Sozialamt in Frankfurt gearbeitet. Er wollte nicht in den Institutionen versauern und gründete für Ostfriesland den Verein Regenbogen, um Betroffenen unbürokratischer helfen zu können.«
Staatsanwalt Scherer schüttelte den Kopf. Er fühlte sich von Ann Kathrins Worten nur genervt. Ohne darauf zu achten, fuhr sie fort: »Als Chef war Speicher bestimmt nicht einfach. Er verlangte viel von seinen Mitarbeitern. Er ist in gewisser Weise gnadenlos für die Rechte von Behinderten eingetreten. Nicht immer leicht in dieser Zeit der Sparmaßnahmen und Kürzungen. Solchen Vereinen streicht man gerne die Mittel.«
Staatsanwalt Scherer wippte auf seinem Stuhl hin und her. Er hielt es kaum noch aus. Trotzdem fuhr Ann Kathrin Klaasen fort: »Speicher hat sich praktisch mit allen offiziellen Stellen angelegt. Viele haben ein Motiv. Da sind Eltern, die sagen, der Speicher hat uns das Kind weggenommen, um das Pflegegeld zu kassieren, das wir bisher bekommen haben. Andere sagen, er hat das Kind aus dem katastrophalen Elternhaus geholt und in professionelle Pflege überführt. Ehemalige Mitarbeiter hassen ihn, weil er als Chef viel zu viel von ihnen verlangte. Ein Prozess vor dem Arbeitsgericht läuft noch. Eine Erbengemeinschaft klagt gegen ihn. Sie behaupten, er habe sich ihr Erbe für seine ›dubiose Organisation‹ unter den Nagel gerissen.«
Kriminaloberrat Ubbo Heide, Ann Kathrin Klaasens direkter Vorgesetzter, schüttelte den Kopf: »Aber Ann. Das sind Motive für Hass und Streit. Aber für einen Mord?«
»Wir werden uns diesen Personenkreis genauer ansehen müssen.«
»Ich bin mir nicht sicher«, warf Rupert ein, »ob wir den Mörder wirklich in Ulf Speichers Umfeld finden können. Der Täter könnte sein Opfer auch zufällig ausgesucht haben.« Er blätterte in seinen Internetausdrucken: »Wir erinnern uns doch alle an die Heckenschützen von Washington. Zwei Männer töteten zehn Menschen. Sie schlugen fast täglich zu. Dann, in West Virginia, im August 2003, drei Opfer. Das Phänomen breitet sich aus wie … ein Virus.«
Ubbo Heide riss die Augen weit auf: »Ein irrer Sniper in Ostfriesland? Das hätte uns gerade noch gefehlt. Was spricht dafür? Gibt es harte Fakten? Oder sind das nur Vermutungen?«
Ann Kathrin fand die Ausführungen von Rupert völlig blödsinnig. Das lenkte nur ab. So sorgte man dafür, dass in kürzester Zeit hier eine Sonderkommission aus Hannover eingesetzt werden würde. Sie verstand Rupert nicht.
»Nun«, fuhr er fort, »zunächst haben wir einen Menschen, der aus großer Distanz erschossen wurde. Erfahrungsgemäß schlägt so ein Sniper rasch hintereinander wieder zu. Der Kick ist kurz. Der Adrenalinstoß heftig. Das Allmachtsgefühl hält aber im Alltag nicht lange an. Schon ist man wieder das kleine Würstchen von nebenan und nicht mehr Herr über Leben und Tod. Jeder Rausch trägt bereits die Sucht in sich nach dem nächsten …«
Ann Kathrin meldete sich zu Wort, doch Ubbo Heide sah ganz konzentriert auf Rupert. »Gibt es Erfahrungswerte für Deutschland?«, fragte er.
Rupert stand auf. »Nein, für Deutschland nicht. Aber schaut euch das mal an.«
Er ging zum Computer und schaltete die vorbereitete Demonstration ein. Das Spiel begann sofort. Ein Gewehr erschien auf dem Bildschirm, dann Räume, Gänge. Menschen, die niedergeschossen werden konnten.
Rupert führte es vor. Die anderen standen um ihn herum und schauten.
»Jetzt!«, sagte Weller, und Rupert schoss. Allerdings daneben. Dann wurde er selbst erledigt.
»Mist! Aber da drin bin ich schon oft gescheitert. Man sieht nicht, wer hinter der Hecke sitzt.«
Ann Kathrin stieß ihn an. Sie wollte nicht, dass er sich und ihr Team hier so blamierte.
»Wieso? Das ist ein ganz legales Spiel. Ich habe es zu Weihnachten bekommen.«
»Ja, genau das ist doch das Problem. Es gibt Hunderte Eintragungen im Internet. Diskussionsforen, Berichte über die Scharfschützen der Wehrmacht und …«
Ubbo Heide warf ein: »Das ist doch nur ein Spiel.«
»Ja. Für Zigtausende. Und dann dreht einer durch und macht Ernst. Für den ist das Internet Trainingslager und Inspiration zugleich.«
Staatsanwalt Scherer nickte. »Ich muss Ihnen ausnahmsweise vorbehaltlos recht geben, Rupert. Wir haben es mit einem Sniper zu tun. Das wird ein großer, ein bedeutender Fall.«
Ann Kathrin schüttelte
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