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OstfriesenKiller

OstfriesenKiller

Titel: OstfriesenKiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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wen denn?«
    »Für den Kurt, da würd ich alles tun. Und für deinen Freund auch.«
    »Du meinst meinen Kollegen, den Weller?«
    »Ja. Klar. Der ist doch toll. Oder nicht?«
    Ann Kathrin wich einem entgegenkommenden Fahrzeug aus.
    »Die Männer nehmen dich aus, Sylvia.«
    Sylvia löste die Gurthalterung und rollte sich auf dem Beifahrersitz zusammen wie ein Kind. Ihren Kopf legte sie auf Ann Kathrins Beine. »Glaubst du denn, das weiß ich nicht? Die Männer können so gemein sein.«
    Ann Kathrin nahm die rechte Hand vom Steuer und legte sie auf Sylvias Kopf.
    »Du solltest dem Tim kein Auto schenken. Danach verlässt er dich sowieso.«
    Sylvia Kleine schwieg eine Weile. Dann sagte sie: »Hm. Das hat die Jutta auch gesagt. Aber wie findest du denn den Ludwig?«
    »Den Zivildienstleistenden?«
    »Ja. Den Ludwig Bongart.«
    Ann Kathrin wollte die Hand von Sylvias Kopf nehmen, doch Sylvia hielt sie fest. Sie brauchte die Berührung jetzt, so wie Eike früher die Berührungen gebraucht hatte. Während sie weitersprach, kämpfte Ann Kathrin mit den Tränen. Für einen kleinen Augenblick hatte sie ihre Gefühle nicht mehr im Griff. Einerseits rührte die Situation sie so sehr, andererseits wünschte sie sich ihren Sohn zurück.
    »Hat Ludwig Bongart nicht eine schwangere Freundin?«, fragte sie.
    Sofort änderte sich Sylvias Gemütsverfassung. Sie schob Ann Kathrins Hand weg, als sei ihr das Streicheln unangenehm gewesen. Sie setzte sich aufrecht hin, zog die Füße an und trat wütend gegen das Armaturenbrett.
    »Ich weiß! Ich weiß! Immer ist alles so kompliziert!«
     
    Nachdem Ann Kathrin Klaasen Sylvia Kleine nach Hause gebracht hatte und wieder alleine im Auto saß, brüllte sie während der Fahrt laut los und schlug so fest gegen das Lenkrad, dass sie einen Moment befürchtete, den Airbag aktiviert zu haben. Zum Glück blieb ihr das erspart.
    Nein, es war gar nicht Hero. Der sollte doch bleiben, wo der Pfeffer wächst. Eikes Entscheidung, bei seinem Vater zu bleiben, so logisch und richtig sie vielleicht auch war, machte Ann Kathrin fertig. Szenen stiegen in ihr hoch, sie sah Eikes Augen, die sich mit Tränen füllten, während seine Geburtstagskrone vom Kopf rutschte. Trotzig verschränkte er die Arme vor der Brust und zog einen Schmollmund. Nein, er wollte an seinem Geburtstag kein Verständnis haben. Er wurde acht und hatte seine besten Freunde eingeladen. Was interessierte ihn eine Brandstiftung in einer Diskothek auf Norderney? Hero hatte es übernommen, die Ritterspiele mit den Kindern und die Schnitzeljagd quer durch die Siedlung zu organisieren. Als Ann Kathrin zurückkam, war es bereits dunkel gewesen, die Gäste waren lange gegangen, und Eike hatte tief und fest geschlafen.
    Es hatte viele solcher Situationen gegeben. Zu viele. Der Job war einfach beziehungsfeindlich. Kein Wunder, dass es so wenig Frauen bei der Polizei gab.
    Die Scheidungsrate bei ihnen war hoch. Die der Beziehungskrisen noch höher. Die Männer litten genauso darunter wie die Frauen. Und trotzdem war es bei ihnen noch mal was anderes. Gesellschaftlich akzeptierter. Ach, was interessierte sie die Gesellschaft? Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass der Scheißjob sie die Liebe ihres Sohnes gekostet hatte.
    281 Überstunden standen auf ihrem Zeitkonto. Das waren sieben Wochen Urlaub. Sieben Wochen, die sie ihrer Familie schuldete.
    Der metallicblaue Ford Focus bremste mit quietschenden Reifen. Der Fahrer hupte. Es war nichts passiert, die Kotflügel waren noch gut einen halben Meter voneinander entfernt. Aber es hätte schiefgehen können, und dass es so glimpflich abgelaufen war, lag bestimmt nicht an ihrer Reaktionsfähigkeit.
    Ann Kathrin hörte den Fahrer etwas von »Frauen am Steuer« brüllen und sie solle doch ihren Führerschein abgeben.
    Ein paar Meter weiter fuhr sie rechts ran. Neben ihr grasten schwarz-weiß gescheckte Kühe. Für einen Moment beneidete sie die Viecher um ihr einfaches Leben. Klare Rollen. Klare Grenzen. Keine Entscheidungen zwischen: Eigentlich müsste ich dies tun – aber das ist jetzt wichtiger. Am liebsten täte ich was ganz anderes, aber dafür habe ich gar keine Zeit.
    Sie stand neben ihrem Wagen am Straßenrand und biss sich auf die Unterlippe. Sylvia Kleine hatte recht. Warum musste das Leben immer so kompliziert sein? Seit Eike auf der Welt war, lief sie mit einem schlechten Gewissen herum. Entweder vernachlässigte sie ihn oder ihren Beruf. Sie versuchte, alles hinzukriegen. Dazwischen

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