OstfriesenKiller
Ihr dürft die Verletzten rausholen. Schnell, schnell! Sie sterben! Nina hat einen Kopfschuss, und Herr Krenzer wurde am Bauch getroffen!«
Clever, dachte Ann Kathrin. Verdammt clever. Ihr setzt sie unter Zeitdruck. Es ist genau wie damals bei meinem Pa. Wer wird jetzt das lebensrettende Team kontrollieren? Wer von dem Notarzt einen Ausweis verlangen? – Aber warum machen sie es diesmal nicht mit einem Hubschrauber? Warum mit Rot-Kreuz-Fahrzeugen? Haben sie ihren Hubschrauberpiloten nicht mehr? Sind sie nicht an den Hubschrauber gekommen? Ist irgendetwas schiefgelaufen? Oder ist das nur eine neue, besonders intelligente Finte?
»Lassen Sie sich nicht täuschen«, sagte Ann Kathrin. »Nehmen Sie das komplette Rettungsteam fest.«
»Frau Kollegin, bitte. Halten Sie sich da raus. Sind Sie völlig verrückt geworden?«
»Ich habe den Überfall in Gelsenkirchen bis in jede Einzelheit studiert. Gleich wird der BMW in die Luft fliegen. Und aus der Sparkasse werden keineswegs die Verletzten getragen, sondern so entkommen die Täter samt der Beute.«
Johann Kruse schob sie zur Seite. Es kam jetzt auf jede Sekunde an. Er winkte das Notarztteam herbei. Sie fuhren mit den beiden Wagen bis vor die Sparkasse, öffneten die Tür und rannten mit ihren Tragen hinein.
Dann geschah zunächst nichts. Völlige Stille.
Irgendwo bimmelte ein Handy. Schwanensee.
»Die lassen sich ganz schön Zeit, finden Sie nicht, Herr Kruse? Die brauchen sie nämlich auch, um die ganze Show für Sie abzuziehen. Sie werden die Verletzten in den Tresorraum bringen, damit Sie die nicht sofort sehen, wenn Sie reinstürmen. Dann hauen die Täter mit den Rettungswagen ab. Sie werden hier draußen noch eine Weile warten und sich wundern, warum Sie keinen Kontakt mehr zu denen da drinnen haben«, prophezeite Ann Kathrin.
»Seien Sie ruhig!«, zischte Kruse. »Schauen Sie sich an, Mensch! Sie sind ja völlig fertig! Natürlich dauert das lange da drin. Die Notärzte kämpfen um das Leben der Geiseln. Sie versuchen, die Blutung zu stillen. Ich möchte jetzt nicht an deren Stelle sein.«
Ann Kathrin sah ein, dass sie so nicht weiterkam. Aber sie wollte nicht aufgeben. Sie versuchte, näher an den ersten Rettungswagen heranzukommen. Sinnlos. Zwei uniformierte Beamte packten sie an den Schultern und zogen sie zur Seite.
»Lasst mich! Ich bin eine Kollegin. Mein Name ist Ann Kathrin Klaasen. Ihr habt ja keine Ahnung, was hier läuft!«
Noch einmal versuchte sie, zum ersten Rettungswagen durchzukommen. Der Fahrer hatte die Scheibe immer noch heruntergedreht. Sein Schnauzbart war garantiert nicht echt, viel zu dick, viel zu buschig, viel zu auffällig. Und solche Augenbrauen hatte doch auch kein Mensch. Den alten Finanzminister Theo Waigel vielleicht mal ausgenommen. Selbst der wäre bei solchen Augenbrauen neidisch geworden.
Wieder stellte sich ihr ein uniformierter Kollege in den Weg.
»Was wollen Sie? Sie haben hier keinerlei Dienstbefugnisse. Bitte gehen Sie hinter die Absperrung zurück.«
»Ich will nur die Papiere des Fahrers überprüfen.«
»O nein, das werden Sie nicht tun.«
»Rufen Sie im Krankenhaus an. Fragen Sie nach dem Rettungsteam. Lassen Sie sich den diensthabenden Arzt geben. Das hier ist nicht echt!«, schrie Ann Kathrin.
»Frau Kollegin, entweder Sie werden jetzt vernünftig, oder ich muss Sie bitten, diesen Platz augenblicklich zu verlassen.«
Dann ging auf einmal alles ganz schnell. Zunächst humpelte ein bärtiger Mann aus der Sparkasse. Er wurde von einem Sanitäter gestützt. Sein Oberhemd war offen, sein Oberkörper malerisch mit Blut beschmiert. Das Ganze hier hatte Hollywoodqualitäten, fand Ann Kathrin. Super inszeniert. Aber sie fiel darauf nicht herein.
Der Sanitäter half dem Verletzten in den zweiten Rettungswagen. Dann stieg er hinter ihm ein.
Eine Liege wurde im Laufschritt aus der Bank getragen. Darauf lag ein Mann, der mit Sauerstoff versorgt wurde.
Klasse Trick, um sein Gesicht unkenntlich zu machen, dachte Ann Kathrin.
Das Rettungsteam arbeitete schnell und präzise. Natürlich wollten sie ihre Kumpels und die Beute so schnell wie möglich in Sicherheit bringen. Aber da hatten sie Ann Kathrin Klaasen unterschätzt. Einer von diesen Typen da hatte ihren Vater auf dem Gewissen.
Eine Gasse wurde gebildet. Schon fuhren die Rettungswagen an. Und mit ihnen flohen die Gangster samt Beute unter Polizeischutz.
Ann Kathrin stieß den Kollegen, der sie behindern wollte, zur Seite, zog ihre Heckler & Koch und rannte
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