Ostfriesenmoor: Der siebte Fall für Ann Kathrin Klaasen (German Edition)
die Lungenentzündung, als er dann auch noch Rückenprobleme bekam und auf allen vieren durch die Wohnung gekrochen war. Sie hatte ihn gepflegt, ihm Tee gekocht, seine durchschwitzte Bettwäsche gewechselt, mehrmals am Tag Fieber gemessen, und immer war sie mit einem guten Wort an seiner Seite gewesen. Nie hatte sie sich beklagt. Er hatte von ihr das bekommen, was er bei seiner Mutter so oft vermisst hatte.
Ja, später war dann vieles gekippt und anders geworden. Seine Sauferei hatte sie rasend gemacht und ihren Sex erkalten lassen.
Angela war jetzt seit Stunden weg. Sie hatte einen Spaziergang machen wollen, um sich über ein paar Dinge klar zu werden. Sie wollte allein sein. Das war überhaupt so eine Masche von ihr. Immer wieder zog sie sich zurück, brauchte die Einsamkeit. Sie hatte ihm vorgeschlagen, ob es nicht besser wäre, zwei Wohnungen zu haben, statt zusammenzuziehen. Jeder sollte seinen eigenen Bereich haben, um sich zurückziehen können.
Dann hörte er unten ein Auto parken, und es klingelte an der Tür. Er schaltete den Fernseher aus und fragte sich, ob Angela den Schlüssel vergessen hatte. Aber es kam nicht Angela die Treppe hoch, sondern Rupert und Sylvia Hoppe.
»Na, wollen Sie mich jetzt verhaften?«, fragte Wolfgang Müller so, als würde er es am liebsten provozieren.
»Nein, wie kommen Sie denn darauf?«, gab Sylvia Hoppe zurück.
Rupert passte das nicht. Er wollte hier das Gespräch führen. Sylvia sollte sich zurückhalten, genau so war es besprochen.
Sie sah aus, als ob sie krank werden würde. Sie schwitzte die ganze Zeit, und sie trug diese viel zu warme, langärmlige Fleecejacke, obwohl es an der Küste ungewöhnlich windstill war und die achtundzwanzig Grad im Schatten bei den Touristinnen dafür sorgten, dass die Schönheiten der Natur nicht nur in der Landschaft zu sehen waren.
Rupert liebte diese flatternden Röcke und die langen Beine der hübschen Frauen, an deren Bräunung er erkennen konnte, ob sie gerade erst in Ostfriesland angekommen waren oder schon seit mehreren Tagen hier Urlaub machten.
»Wir haben noch ein paar Fragen an Sie. Ist die Familie Ihrer Exfrau eigentlich reich? Hat da irgendjemand Geld?«
Wolfgang Müller lachte, als hätte er selten einen besseren Witz gehört. »Nein, das ist ganz sicher nicht so! Sie meinen, wegen der Lösegeldforderung?«
Rupert sah Sylvia an. Hatten sie sich durch irgendetwas verraten?
»Was für eine Lösegeldforderung?«, fragte Sylvia Hoppe.
»Wollen Sie mich verarschen?«, schnauzte Wolfgang Müller, dessen Laune augenblicklich umschlug. »Lucy hat mich angerufen und mir gesagt, dass …«
Natürlich. Er weiß es längst, dachte Rupert und zuckte mit den Schultern. Immerhin konnte man ihm nicht vorwerfen, einen Fehler gemacht zu haben.
»Wo ist denn Ihre … Lebensgefährtin?«, wollte Sylvia Hoppe wissen.
»Meine Freundin? Sie sprechen von Frau Riemann?«
»Ja, oder haben Sie noch andere?«, hakte Rupert bissig nach.
»Sie ist am Deich spazieren. Sie braucht ein bisschen Ruhe.« Um Verständnis heischend sagte er dann in Richtung Rupert: »Wie Frauen eben so sind.«
»Bis dieser Fall gelöst ist, wären wir gerne auf dem Laufenden, wo Sie sich aufhalten, um mit Ihnen in Kontakt treten zu können, sofern das nötig ist. Haben Sie Pläne, Norddeich in den nächsten Tagen zu verlassen?«
»Was ich für Pläne habe? Na, hören Sie mal, ich wollte hier Urlaub machen, die Küste genießen, den guten Fisch. Mit meiner Tochter ein bißchen Zeit verbringen und …«
»Haben Sie vor, irgendwelche Sehenswürdigkeiten zu besichtigen? Wegzufahren oder …«
Wolfgang Müller regte sich auf: »Zunächst mal hat mir diese Entführung ja einen totalen Strich durch die Rechnung gemacht. Glauben Sie, das geht spurlos an mir vorüber? Klar wollten wir uns ein paar Sachen ansehen. In Emden sind die Matjeswochen. Angela kommt ja aus der Gegend. Sie hat hier noch viele Freunde. Wir hätten gar keine Ferienwohnung gebraucht, sondern bei denen wohnen können. Aber wir sind nicht die Menschen, die anderen zur Last fallen.«
Sylvia Hoppe stellte sich so hin, dass es Wolfgang Müller nicht möglich war, an ihr vorbei zu sehen. Er spürte, dass jetzt etwas Unangenehmes auf ihn zu kam und versuchte, wenigstens den Blickkontakt zu vermeiden.
»Stimmt es, Herr Müller, dass die Zwillinge möglicherweise von Ihnen sind?«
»Wie kommen Sie denn darauf, Frau Kommissarin?«
»Sie haben Ihre Frau aufgefordert, einen Gentest machen zu lassen.
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