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Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Titel: Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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trotzdem fest, es lag hinter ihr am Boden und war unzweifelhaft in einem Prozess chemischer Zersetzung begriffen. Dadurch, dass sie daraufgetreten war, schien sich die Folie etwas verschoben zu haben. Was oder wer lag hier in der Hütte? In diesem Moment hörte sie die Bodendielen knarren.
    Pia, die Waffe wieder entsichert in ihrer Hand, visierte durch einen Spalt im Vorhang ihr Ziel an: Sie hatte keine Zeit zu überlegen, denn der Mensch, der die Hütte betreten hatte, kam direkt auf ihr Versteck zu. Kaleidoskopartig sah sie einen erhobenen Arm, die Klinge einer Axt, ein verzerrtes Gesicht – und zog den Abzug durch. Der Angreifer taumelte zurück. Pia riss den Vorhang beiseite, die Waffe immer noch schussbereit, doch sie zögerte, ein weiteres Mal abzudrücken, denn … es war nicht Asmussen, der vor ihr zurückwich.
    Der Mann hatte silbergraues Haar, das im Zwielicht schimmerte und leicht gebräunte Haut. Verwirrt starrte sie in Martin Gregorians schmerzverzerrtes Gesicht. Offensichtlich hatte der Schuss nur seinen Oberarm gestreift. Doch selbst wenn sie es gewollt hätte, in diesem Moment war es Pia unmöglich, nochmals abzudrücken. Zu groß war ihr Erstaunen, die wahnwitzige, nur den Bruchteil einer Sekunde währende Erleichterung, ihn zu sehen, gefolgt von der … Beklemmung, dass es nicht Asmussen war, der sie soeben angegriffen hatte, sondern Martin Gregorian.
    »Nehmen Sie die Hände hoch!«, schrie sie ihn an. Die Axt war polternd zu Boden gefallen, er presste seine linke Hand gegen seinen Arm. Zwischen seinen Fingern quoll Blut hervor. Wie du Maiwald so ich dir, dachte Pia vollkommen unpassenderweise. »Ich richte eine Waffe auf Sie, und ich würde liebend gern nochmals abdrücken«, sagte sie, nachdem sie sich etwas gefasst hatte. Das entsprach zwar nicht ganz den Vorschriften – aber der Wahrheit, wie er ihrem Tonfall zu entnehmen schien. Er hob langsam die linke Hand, während sein rechter Arm schlaff nach unten hing.
    »Eine Patt-Situation«, sagte er. »Ihr Kollege hier braucht Ihre Hilfe. Der macht es sonst nicht mehr lange. Aber während Sie mich mit der Waffe bedrohen, können Sie ihm nicht helfen. Lassen Sie mich gehen, dann verblutet er wenigstens nicht …«
    Gregorian würde wahrscheinlich direkt den Kollegen in die Arme laufen … oder aber in der Dunkelheit verschwinden. Sie musste an seinen Geländewagen denken. Und sie konnte sowieso nicht riskieren, ihm den Rücken zuzudrehen. Vielleicht hatte er längst Maiwalds Waffe an sich genommen?
    »Hier wird es in wenigen Minuten von Polizisten nur so wimmeln«, sagte Pia, »und mein Kollege bekommt dann sofort fachmännische Hilfe.«
    Maiwald rührte sich nicht. Lebte er überhaupt noch?
    »Minuten? Sieht so aus, als hätte er die Zeit gar nicht mehr«, erwiderte Gregorian höhnisch. »Sie sind einfach zu früh gekommen. Eine Stunde noch, und alles wäre unter einer schönen Schicht Beton für immer verborgen geblieben.«
    »Durch den Betonmischer bin ich überhaupt erst aufmerksam geworden«, sagte Pia und versuchte, sich Maiwald zu nähern, ohne Gregorian aus den Augen zu lassen.
    »Ja, das war meine Absicht. Als ich ihn erwischt hatte und merkte, dass Sie sich hier auch herumtreiben, musste ich Sie herlocken. Sie sollten mich übrigens nicht für dumm verkaufen. Ich kenne mich hier aus. In dieser Gegend gibt es überhaupt kein Netz – dass Sie schon Verstärkung gerufen haben, nehme ich Ihnen nicht ab. Sie beide sind allein hier und bleiben allein, nicht wahr?«
    »Das wird sich zeigen«, gab Pia zur Antwort. Sie wollte ihm nicht auf die Nase binden, dass in den meisten Gebieten Notrufe möglich waren, auch wenn man über den einen oder anderen Anbieter kein Netz bekam. Aber die Verstärkung sollte langsam eintreffen. Sie hatte den Kollegen genau beschrieben, wo die Hütte lag und wie man sie erreichte. Maiwald – wie viel Zeit blieb ihm? Sie wagte nicht, mehr als einen flüchtigen Blick in sein Gesicht zu werfen. Was sie sah, machte ihr Angst. Sie straffte die Schultern und tat einen Schritt zurück.
    »Los, Gregorian: Sie werden jetzt sein Bein abbinden«, befahl sie. Sie wusste nicht, wie sie das durchsetzen, geschweige denn kontrollieren sollte, aber sie musste es zumindest versuchen.
    Er lächelte gehässig. »Womit soll ich abbinden, wenn ich fragen darf? Ich habe ein großes, altmodisches Herrentaschentuch in meiner Hosentasche, wäre das genehm?«
    Er bewegte seine linke Hand in Richtung Körpermitte. »Hände oben lassen!«,

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