Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut
durchbohren.
»Wir sehen uns jetzt auch noch die letzte Seite der Hütte an. Vielleicht gibt es noch mehr Hinweise, die für Asmussens Anwesenheit sprechen«, schlug Pia vor.
»Gibt es denn schon einen Hinweis?«, fragte Maiwald.
Während des Herumstehens hatte sich Pias Blase gemeldet, doch sie versuchte, es zu ignorieren. »Er ist hier«, sagte sie bestimmt.
Sie tasteten sich weiter vorwärts, stets darauf bedacht, in Deckung zu bleiben. Auf der anderen Seite des Holzhauses standen noch mehr Gegenstände herum: ein Betonmischer, ein paar Säcke Zement, Eimer und Schaufel. Ein hellgrüner Gartenschlauch kringelte sich über den Boden.
»Okay, das reicht«, sagte Pia fest. »So lässt keiner seine Hütte über Winter zurück. Wir holen Verstärkung.«
»Und wenn Gregorian gerade selbst ein paar Reparaturarbeiten an seiner Hütte durchführt?«
»Er sah beim Verlassen seines Hauses nicht danach aus.«
»Was ist mit dem Fahrrad?«, fragte Maiwald. »Asmussen fährt doch Fahrrad, oder? Ich sehe hier aber keins.«
»Vielleicht hat er es mit in die Hütte genommen? Lass uns den gleichen Weg zurücknehmen, den wir gekommen sind. Aber vorsichtig! Wir können nicht riskieren, dass Asmussen bemerkt, dass wir ihn gefunden haben, bevor Verstärkung da ist«, bestimmte Pia. Sie sollte es ruhig angehen lassen, erinnerte sie sich. Sie würde den großen Fang anderen überlassen.
»Immerhin dürfte Asmussen jetzt keine Waffe mehr besitzen – die haben wir ja gefunden. Und wir sind zu zweit, er ist allein«, gab Maiwald zu bedenken. Jetzt wollte er also doch ein Ergebnis. Sie konnte es ihm nicht verdenken. Sie, Pia, hatte die Waffe gefunden, und sie konnte sich durchaus vorstellen, dass das an Maiwalds Ehrgeiz gekratzt hatte. Vielleicht gelüstete es ihn jetzt nach einer heroischen Tat. Sie kannte diesen starren Gesichtsausdruck, mit dem er jetzt fast sehnsüchtig zur Hütte hinübersah.
Er riss sich sichtlich zusammen und nickte Pia zu. »Wir gehen zurück. Es ist nur … wir sind schon so nahe dran.«
Als sie sich ein ganzes Stück von der Hütte entfernt hatten, blieb Pia stehen. Sie musste inzwischen so dringend, dass es ihr kaum möglich sein würde, ohne Zwischenfall das Auto, geschweige denn eine Toilette zu erreichen. »Geh ein Stück vor«, forderte sie Maiwald auf. »Ich komme gleich hinterher … Tut mir leid, es geht nicht anders.«
Er sah sie erst irritiert an, dann nickte er. »Kein Problem. Ich geh vor und warte oben an der Pforte auf dich.«
Pia ärgerte sich. Sie war es nicht gewohnt, dass sie sich nicht auf ihren Körper verlassen konnte. Nachdem sie noch ein paar Meter in den Wald gegangen war, hockte sie sich hinter einen umgestürzten Baum. Sie war zu sehr mit dem Ärger über ihre eigene Unzulänglichkeit beschäftigt, um Maiwalds Reaktion viel Beachtung zu schenken. Es war höchste Zeit, und trotzdem wusste sie, dass es in ihrem derzeitigen Zustand in einer Viertelstunde schon wieder genauso dringend sein konnte. Sie kam wieder hoch und ordnete ihre Kleidung. Von Maiwald war nichts mehr zu sehen und zu hören. Pia verfolgte den Weg zurück bis zu dem Punkt, an dem sie sich von ihm getrennt hatte. Sie lauschte und spähte in das grünbraune Dickicht, das sie umgab.
Bisher war es im Wald ungewöhnlich still gewesen, doch nun frischte der Wind wieder auf, fuhr durch die Baumkronen und erzeugte ein Geräusch, das entfernt an das Starten eines Düsenjets erinnerte. Pia folgte dem gerade erst von ihr und Maiwald erzeugten Pfad, der an umgeknickten Zweigen, niedergetrampeltem Gras und zerwühltem Laub zu erkennen war. Sie hätten schlechte Pfadfinder abgegeben, dachte sie. Und warum war Maiwald überhaupt so weit vorausgegangen? Aus Verlegenheit etwa? Die Pforte musste jeden Augenblick wieder vor ihr auftauchen. Pia wusste, dass ihr Orientierungssinn nur mäßig gut ausgebildet war, aber rechts konnte sie immer mal wieder die Hütte zwischen den Bäumen hindurch erahnen, insofern konnte sie nicht ganz falsch liegen. Endlich sah sie den Zaun, der sie zu der Pforte führen würde. Dort spätestens wartete Maiwald auf sie.
Halb verdeckt im Farnkraut, lag etwas, das Pia auf dem Hinweg noch nicht aufgefallen war. Sie bog ein paar Farnwedel zurück und sah ein gummibereiftes Rad, dann Pedalen, einen Sattel, ein zweites Rad. Es handelte sich um ein altmodisches Herrenrad; an Schutzblechen und Gestänge hatte sich Flugrost festgesetzt, aber das Rad war nicht so verrostet, dass anzunehmen war, dass es schon
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