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Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Titel: Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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wie Pia es sich ausmalte –, würde sie auch die weiteren Nachforschungen zu Solveigh Halbys und Katja Simons Vergangenheit allein vornehmen. Nach ein paar Telefonaten hatte sie jemanden gefunden, der ihr mehr über Solveigh Halbys und Katja Simons Zeit in dem Erziehungsheim in Kargau erzählen konnte. Marianne Fierck, eine ehemalige Erzieherin, die immer noch in Kargau wohnte, erklärte sich kurzfristig bereit, sich mit Pia zu treffen.
    Die Frau hatte damals die Wohngruppe geleitet, in der Simon und Halby untergebracht gewesen waren. Marianne Fierck gefunden zu haben war mehr oder weniger ein Glücksfall. Pias Nachforschungen hatten ergeben, dass der Direktor des Heims vor längerer Zeit verstorben war, und auch in Kiel in der Jugendabteilung des Landesministeriums, die für die Angelegenheiten des Landeserziehungsheims zuständig gewesen war, hatte sie niemanden erreicht, der sich an die Zeit, in der das Heim in Betrieb gewesen war, erinnern konnte. Immerhin existierten alte Personalakten, durch die Pia auf die Erzieherin Marianne Fierck gestoßen war.
    Solveigh Halby, damals hatte sie Solveigh Pahl geheißen – ihre Geschichte irritierte Pia. Es bestand wenig Anlass zu der Vermutung, dass es einen Zusammenhang zu dem Mord an Timo Feldheim gab, aber sie fand, das Team sollte einen Überblick über Katja Simons und Solveigh Halbys Vergangenheit bekommen.
    »Erinnern Sie sich an einzelne Mädchen? An Katja Simon zum Beispiel?«, fragte Pia Marianne Fierck, nachdem sie ein wenig über die Uhlenburg und ihren jetzigen Leerstand geredet hatten. Die ehemalige Erzieherin war in groben Zügen über den Grund für Pias Nachforschungen ins Bild gesetzt worden.
    »Ich erinnere mich nicht an alle Mädchen, dazu waren es zu viele. Aber an einige schon. Es gibt ja Menschen, die bleiben einem mehr im Gedächtnis als andere. An Katja Simon werde ich mich wohl mein Leben lang erinnern. Sie ist meines Erachtens eine Ausnahmepersönlichkeit. Außerdem gehörte Katja mit zu einer der letzten Gruppen, die überhaupt auf der Uhlenburg waren.« Sie drehte nachdenklich ihre Tasse auf der Untertasse hin und her. »Katja Simon kam mit vierzehn Jahren zu uns. Sie hatte das hinter sich, was wir eine ›typische Heimkarriere‹ nannten. Ihre Mutter war Alkoholikerin, die sich nicht um sie kümmern konnte. Katja wurde schon im Alter von zwei oder drei Jahren weitergereicht: von der Tante zur Cousine der Mutter, dann zurück zur Mutter, danach war sie in zwei oder drei Pflegefamilien, dann wieder zurück zur Mutter, schließlich in einem Kinderheim. Nirgends kam sie zur Ruhe. Als sie zehn Jahre alt war, ist sie zum ersten Mal ausgerissen. Mit zwölf wurde sie dann auffällig. Sie war in eine Clique von Jugendlichen geraten, die Automaten geknackt haben, Autos klauten und Rentnern die Handtasche raubten … Zunächst wurden Erziehungsmaßnahmen verhängt, aber Katja Simon wurde wieder auffällig. Sie ist dann erneut ausgerissen und hatte sich mit einem Freund bis Berlin durchgeschlagen, weil sie sich der Hausbesetzerszene anschließen wollte. Es hat mehrere Wochen gedauert, bis man sie gefunden hatte. Da gingen dann noch ein paar Eigentumsdelikte mehr auf ihr Konto. Sie musste ja von irgendetwas leben. Der Richter sah es als erwiesen an, dass sie in keiner Pflegefamilie mehr unterzubringen sei. Also staatliche Erziehung: Unterbringung in der geschlossenen Abteilung. Sie hätten das Kind erleben sollen, das bei uns ankam: verwirrt, vollkommen abgemagert, aber mit einem Temperament, das einem den Atem verschlagen hat. Als sie aus der geschlossenen Abteilung entlassen wurde und ausgerechnet in meine Gruppe im Möwenturmhaus kam, war ich skeptisch. Erzieherinnen sind auch nur Menschen. Mit dem einen Kind kommen wir gut zurecht, mit dem anderen weniger. Aber einige meiner Mädchen sind mir sehr ans Herz gewachsen. Dazu gehörte nach kurzer Zeit auch Katja Simon. Mit ein paar meiner Schützlinge habe ich heute noch Kontakt, mit Katja Simon allerdings nicht. Das war auch nicht zu erwarten, sie war immer sehr auf ihre Autonomie bedacht.« Marianne Fierck lächelte wehmütig.
    »War auch Solveigh Pahl zu dieser Zeit in Ihrer Gruppe?«, fragte Pia.
    »Ich meine, mich zu erinnern, dass es so war. Wenn Sie sichergehen wollen, könnte ich mir ein paar Tagebuchaufzeichnungen von damals ansehen. Aber ich tue das nicht gern, dieses ›Rumwühlen‹ in Erinnerungsstücken. Es bringt einem nichts. Nostalgie ist eine Mischung aus Trauer und Freude, finde ich, und

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