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Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Titel: Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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eine Weile, aber letztendlich würden sich die Leute vom Wach- und Schließdienst um denjenigen kümmern. Mehr konnte sie als einfache Bibliotheksangestellte nicht tun. Doch ein Feuer legen oder ein Säureattentat auf Bücher ging schnell vonstatten. Und Menschen, die Bücher zerstören wollten, waren ihrem psychologischen Halbwissen nach Feiglinge. Sie hatte fast alle Werke der Psychologie-Abteilung zumindest gesichtet und überflogen. Und sie, Solveigh Halby, hatte heute die Verantwortung für all diese Bücher übernommen.
    Unschlüssig stand sie im Treppenhaus zwischen Altbau und Neubau. Niemand konnte von ihr verlangen, hier Polizei zu spielen. Außerdem musste sie schnell nach Hause, bevor Rainer kam, der für Schilderungen einer nächtlichen Wanderung durch die Stadtbibliothek bestimmt kein Verständnis haben würde. Fast hätte sie ihren Vorsatz, augenblicklich zu gehen, in die Tat umgesetzt, als ein Klappern, wie von einem offenen Fensterflügel, gefolgt von einem kaum wahrnehmbaren Luftzug, ihre Aufmerksamkeit erregte. Das war des Rätsels Lösung! Hier war außer ihr kein Mensch! Viel wahrscheinlicher war, dass eines der Fenster im Altbau offen stand. Nicht auszudenken, wenn Regenwasser oder gar Tiere wie Ratten oder Mäuse in die Bibliothek eindrangen! Selbst ein verirrter Vogel konnte mit seinem Kot erheblichen Schaden anrichten.
    Solveigh riss sich zusammen und ging wieder in den Altbau. Sie stieg die schmale Treppe hinauf, in Richtung des klappernden Geräusches, das anscheinend von ganz oben kam. Wahrscheinlich hatte der Wind gegen Abend aufgefrischt und einen der alten Fensterflügel aufgedrückt. Auf Radio RSH hatten sie vorhin vor Sturmtief Martha gewarnt, das in der Nacht Schleswig-Holstein erreichen sollte. War Martha vielleicht längst hier?
    Als sie, ein wenig keuchend, die obere Ebene des Altbaus erreicht hatte, blieb Solveigh stehen und ließ den Lichtkegel des Scheinwerfers über Gänge und Regale der »Sozialwissenschaften« und »Politik« gleiten. Sie spürte ein Prickeln im Nacken, als würde jeden Moment eine kalte Hand nach ihr greifen.
    »Hallo?«, rief sie leise, denn irgendwie gelang es ihr nicht mehr, in der dämmrigen Stille ihre Stimme zu erheben.
    Durch die niedrigen Fenster am Ende der Gänge, die auf den Innenhof des Katharineums führten, fiel Mondlicht auf das Linoleum. Die Fenster, die sie sehen konnte, sahen geschlossen aus. Kein Fensterflügel klapperte. Hatte sie sich getäuscht? Dann fiel der Lichtstrahl des Scheinwerfers auf ein Buch oben in einem der Regale, das ein Leser aufgeschlagen auf die Reihen gelegt hatte. Es war ein dickes und augenscheinlich altes Buch. Solveigh hasste es, wenn Leute unachtsam mit Büchern umgingen, die noch nicht einmal ihre eigenen waren. Also ging sie wie ferngesteuert auf das Regal zu, um das Buch zu retten, bevor der Leim der Bindung endgültig brach.
    Sie griff gerade nach oben, als sie ein Geräusch hörte, so, als ginge jemand in dem Gang hinter dem Regal entlang. Sehen konnte sie nichts, aber sie meinte, gepresstes Atmen zu hören. Als Solveigh abermals Schrittgeräusche hörte, rannte sie los. Bis zur nächsten Treppe war es nicht weit, doch als sie den Treppenabsatz erreichte, rutschte ihr der Scheinwerfer aus der Hand und fiel polternd zu Boden. Ohne sich weiter um den Verlust zu kümmern, hastete sie, sich am Handlauf entlangtastend, Absatz für Absatz nach unten. Sie kannte sich hier aus, der andere vielleicht nicht. Das Geräusch ihrer Schritte auf den Holzstufen der Treppe dröhnte in ihrem Kopf, und sie stoppte erst, als sie ganz unten war. Sie spürte das Vibrieren der metallenen Treppenkonstruktion und wusste, dass er oder sie, wer immer es war, ihr folgte, auch wenn er sich nach wie vor Mühe gab, seine Anwesenheit vor ihr zu verbergen. Fast unbemerkt hatten sich die Rollen verschoben, vom Jäger war sie zur Gejagten geworden.
    Sie wollte sich in Richtung Ausleihe und damit zum Ausgang bewegen, doch sie scheute davor zurück, den offenen Raum zu durchqueren. Im Tresenbereich brannte noch ihr Arbeitslicht, und sie wäre dann hervorragend zu sehen. Um hinauszugelangen, musste sie sich lange mit dem hakeligen Türschloss auseinandersetzen, und dabei würde sie im Eingangsbereich wie auf dem Präsentierteller stehen.
    Wie Timo an seinem Posten, so wie Katja es ihr beschreiben hatte, dachte sie und spürte eine Welle der Panik auf sich zurollen. Gleich wäre der Verfolger unten. Verstecken! Ihr war nicht klar, dass sie einem

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