Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut
ist etwas, das lässt mir keine Ruhe.«
»Was lässt Ihnen keine Ruhe?«
»Ich würde es Ihnen gern zeigen. Können Sie nicht bei Gelegenheit noch mal vorbeikommen?«
»Worum handelt es sich, Frau Fierck?« Pia versuchte, ihre Ungeduld in Zaum zu halten, aber sie wollte schon gern wissen, um was es überhaupt ging, bevor sie sich auf den Weg machte.
»Es ist wirklich besser, wenn Sie sich vor Ort ein Bild machen«, sagte die Frau am Telefon in drängendem Tonfall.
»Aber es geht im weitesten Sinne um die Ermittlungen im Mordfall Feldheim?«, vergewisserte Pia sich.
»Irgendwie schon. Ich weiß es nicht«, antwortete Marianne Fierck. »Doch es ist so merkwürdig …«
»Okay, morgen Nachmittag«, sagte Pia, die inzwischen wieder wach war. Marianne Fierck war ihr nicht als der Typ Mensch erschienen, der sich in Gegenwart der Polizei wichtig machen will. Wenn die Möglichkeit bestand, etwas Neues im Mordfall Feldheim zu erfahren, wollte sie es als Erste wissen. »Wenn Sie nichts mehr von mir hören, bin ich morgen gegen sechzehn Uhr bei Ihnen«, sagte sie abschließend.
Sie hatte am nächsten Vormittag eine Besprechung und reichlich Schreibtischarbeit zu erledigen, aber am Nachmittag sollte es möglich sein, das Polizeihochhaus für ein oder zwei Stunden zu verlassen. Außerdem … die Aussicht darauf, aus dem Büro rauszukommen, weg von den Kollegen, die sie, wenn sie sich unbeobachtet glaubten, verunsichert von der Seite ansahen, war gar nicht übel. Und sie würde allein fahren. Ohne Maiwald. Wenn es wirklich etwas Wichtiges war, das die Fierck ihr zeigen wollte, dann wollte sie die Ermittlungen damit vorantreiben. Sie allein.
War das vernünftig, oder hatte sie sich von Maiwald in einen kindischen Konkurrenzkampf verwickeln lassen, angeheizt durch Broders’ stichelnde Bemerkungen? Ehrgeizig war sie schon immer gewesen, aber nicht so sehr um ihres persönlichen Erfolges willen. Die Motivation, die sie dazu getrieben hatte, stets an ihre Grenzen und manchmal darüber hinaus zu gehen, war immer die Lösung eines Falls gewesen und der Wunsch, Beweise zu erlangen, die vor Gericht verwertbar sein würden. Fühlte sie sich durch ihre Schwangerschaft so verletzlich, so schwach, dass sie auf Teufel komm raus die persönliche Bestätigung suchte? Sie versicherte sich, dass es allein an Maiwald lag, an seiner Haltung ihr gegenüber und an ihrer gemeinsamen Vorgeschichte. Beim Verlassen ihres Büros dachte Pia an den Stand der Ermittlungen und an Timo Feldheim, dessen Leben abrupt beendet worden war.
Als sie zu Hause eintraf, war sie fast überzeugt davon, allein im Dienste der Sache zu handeln.
»Das ist ein tiefer Riss. Der muss genäht werden, Solveigh.«
»Kannst du das nicht machen, Katja? Ich will jetzt nirgendwohin, wo ich Fragen beantworten muss.«
Katjas dünne, dunkle Augenbrauen hoben sich. »Da wirst du aber nicht drumherum kommen. Ich kann dir nur zu einem Besuch in der Ambulanz des nächsten Krankenhauses raten und dazu, den Vorfall der Polizei zu melden.«
»Bitte, Katja! Ich will nirgendwohin.«
Katja erwog ihre Möglichkeiten. Nicht dass ihr Solveigh leidgetan hätte. Eher reizte es sie, mal wieder handwerklich zu arbeiten. »Ich sollte es wirklich nicht machen. Wir sind hier nicht in meiner Praxis …«, entgegnete sie.
»Du kannst doch alles, was du brauchst, aus der Praxis holen. Katja, du bist eine hervorragende Ärztin – ich weiß, dass du das kannst.«
»Ich bin Hautärztin, keine plastische Chirurgin«, wandte sie ein, ärgerlich über Solveighs plumpen Versuch, ihr zu schmeicheln. »Und überhaupt, was weißt du schon davon? Du schaffst es ja nicht einmal, dir die eigene Platzwunde im Spiegel anzusehen. Das muss fachgerecht versorgt und geklammert, wenn nicht genäht werden, sonst siehst du irgendwann aus wie Frankensteins Monster.«
Katja begutachtete noch einmal den circa zwei Komma fünf Zentimeter langen, klaffenden Hautriss unterhalb der Augenbraue, durch den man gelblich das Unterhautfettgewebe schimmern sehen konnte. Im Moment war die Blutung gestillt, aber sobald sie mit Kodan-Spray desinfizierte, würde es wieder zu bluten anfangen. Immerhin war die Wunde relativ sauber, und die Wundränder waren glatt. Sie musste nicht unbedingt schneiden. Statt unsichtbar von unten zu nähen, könnte sie es mit Klammerpflastern versuchen. Sie hatte noch genügend Steri-Strips.
»Ich weiß, dass du das kannst«, beharrte Solveigh.
Katja fühlte, wie ihr Widerstand schmolz. Sie hatte auch
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