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Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Titel: Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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Erwartungshaltung. Das konnte noch nicht alles gewesen sein für heute.
    In der Wohnung angekommen, suchte sie als Erstes das Badezimmer auf, schloss sich ein, ging noch einmal auf die Toilette und versuchte anschließend, sich mit kaltem Wasser ein wenig frisch zu machen. Den penetranten Geruch nach Angstschweiß würde nur ein Vierzig-Grad-Waschgang mit Vollwaschmittel und eine ausgiebige Dusche beseitigen können, doch das gerade jetzt zu tun, wagte sie nicht. Rainer würde eine körperliche Reinigung zu diesem Zeitpunkt geradezu als Schuldeingeständnis auffassen. Dann sollte er eben ihren Geruch ertragen! Wie konnte ihr Mann nur annehmen, dass sie ihn betrog? Noch dazu an ihrem Arbeitsplatz? Na ja, so unwahrscheinlich war das bestimmt nicht, zumindest dann, wenn es sich um eine andere Person und nicht um sie, Solveigh Halby, gehandelt hätte.
    Als sie in die Küche trat, saß er mit gebeugtem Rücken am Küchentisch, ein Wasserglas mit einer gelben Flüssigkeit in der Hand. Korn mit Limo? Das war schlecht. Im Aschenbecher glimmte eine Zigarette, und das, obwohl er seit Längerem versuchte, mit dem Rauchen aufzuhören – ziemlich genau seit dem Tag, an dem bei ihm im Büro ein strenges Rauchverbot erlassen worden war. Solveigh hasste dieses Verbot, bescherte es ihr doch seit Wochen einen über das normale Maß hinaus gereizten, unleidlichen Ehemann.
    »Ich denke, ich werde den Vorfall von heute Abend in der Bibliothek melden müssen«, sagte Solveigh so ruhig wie möglich. Sie wollte das Thema sofort auf den Tisch bringen und nicht den ganzen Abend verunsichert warten, wann er es endlich anschneiden würde. Das konnte er nämlich gut, er war ein Meister darin, irgendwelche Psychospielchen zu spielen.
    »Welchen Vorfall?«, fragte er, griff nach seiner Zigarette, zog daran und kniff die Augen gegen den aufsteigenden Rauch zusammen.
    »Dass sich jemand unbefugt in der Stadtbibliothek aufgehalten und dann heimlich das Gebäude verlassen hat. Vielleicht ist etwas gestohlen worden.«
    »Was soll man bei euch schon stehlen? Liebesromane?«
    »Im Ernst, Rainer! Wenn du mir sagst, wann genau dieser Mann herausgekommen ist und wie er in etwa ausgesehen hat, würde mir das schon helfen.«
    »Warum sollte ich dir helfen?«
    »Ich habe Todesängste da drinnen ausgestanden! Ich will mir sicher sein, dass ich mir das alles nicht nur eingebildet habe.«
    »So, so …« Er wandte sich von ihr ab und trank aufreizend langsam aus seinem Glas.
    »Bitte, Rainer!«
    »Bitte, Rainer!«, äffte er sie wütend nach. »Meine Frau macht dubiose Überstunden, ich erwische sie quasi in flagranti mit einem anderen Kerl, und was sagt sie? Bitte, Rainer!«
    »Da war nichts, ich würde nie …«
    »Seit du dich mit dieser Katja rumtreibst, kann ich dir nicht mehr über den Weg trauen, Solveigh. Sie hat dich verdorben, in den alten Sumpf zurückgezogen. Früher hättest du es nicht gewagt, mir frech ins Gesicht zu lügen und dann zu sagen ›Bitte, Rainer‹. Oder siehst du das anders?«
    »Ganz anders. Ich lüge nicht!«, beharrte Solveigh. Sie war auf alles gefasst, gleichzeitig aber nicht bereit, dieses Mal wieder klein beizugeben. So ging es nicht weiter zwischen ihr und Rainer, er sollte sie nicht länger mit seinen Launen quälen und mit der bloßen Androhung möglicher Wutanfälle seinen Willen durchsetzen!
    Er trank mit einem Zug sein Glas leer und füllte es umgehend wieder auf. »Ich habe Hunger«, sagte er unvermittelt.
    Sie war überrascht, fast erleichtert, obwohl diese Anwandlung eigentlich nur einen Aufschub bedeuten konnte. »Dann mach dir selbst was«, hörte sie sich zu ihrem eigenen Erstaunen sagen. »Mir zittern nach der Angstpartie in der Bibliothek nämlich immer noch die Knie. Ich lege mich einen Augenblick im Wohnzimmer auf die Couch.« Sollte er sie nicht eigentlich in den Arm nehmen und trösten, nach allem, was ihr heute widerfahren war? Sie wartete nicht ab, wie er die Aufforderung aufnehmen würde, sondern ging nach nebenan, setzte sich auf das Sofa und legte die Füße hoch. Hier war noch nicht einmal die Heizung an.
    Solveigh zog fröstelnd eine Wolldecke über ihre Beine und stellte, um sich von ihren unerfreulichen Gedanken abzulenken, den Fernseher an. Sie zappte durch die Programme, bis sie auf eine Quizshow stieß – das war beruhigend normal und anspruchslos. In der Küche hörte sie den Wasserkocher gehen. Ein paar Minuten später trat Rainer ins Zimmer, in der Hand ihren Lieblings-Sissi-Becher, aus dem

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