Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut
schienen sich plötzlich umzukehren.
Katja gab einen Schwall Olivenöl in die Pfanne und knallte die Flasche auf die Arbeitsfläche. »Das scheint mir aber nicht so! Denkst du vielleicht auch mal daran, dass ich mir Sorgen mache, wenn du einfach eine halbe Stunde wegbleibst, jetzt, da uns dein verrückter Ehemann terrorisiert?«
»Er ist nicht verrückt. Und er terrorisiert uns auch nicht«, sagte Solveigh.
Katja fuhr zu ihr herum. Ihr Gesichtsausdruck erschreckte Solveigh, und zum ersten Mal fragte sie sich, ob in Rainers Einschätzung nicht auch ein Körnchen Wahrheit steckte.
»Dieser Kerl ruft jede Nacht mehrmals hier an. Er schleicht um mein Haus herum. Er lauert darauf, dass wir einen Moment nicht aufpassen, um weiß Gott was zu tun!«
»Er wollte nur mit mir reden«, sagte Solveigh leise.
»Ich habe also recht!«, fuhr Katja sie an.
Unwillkürlich trat Solveigh einen Schritt zurück. »Womit?«, fragte sie, mehr um Zeit zu gewinnen und zu entscheiden, was sie tun, was sie sagen sollte.
»Er war hier. Du hast mit ihm geredet, nicht wahr? Hast zugelassen, dass er dich wieder unterdrückt und manipuliert? Hast du ihn angerufen, als du im Park warst, oder hat er dir da draußen aufgelauert?«
»Er stand vor der Tür, als ich zurückkam. Wir haben kurz miteinander geredet, und er war ganz ruhig dabei.«
»Was wollte er?«, fragte sie eindringlich. Das Fleisch in der Pfanne roch angebrannt.
»Er will, dass ich wieder nach Hause komme.«
»Und?«
»Katja, das Essen brennt an.«
Ohne richtig hinzusehen, zog Katja die Pfanne vom Kochfeld. »Was hast du ihm geantwortet?«
Solveigh fühlte sich von allen Seiten unter Druck gesetzt, und unter Druck gesetzt macht man Fehler, dachte sie. »Ich habe ihm gesagt, dass ich darüber nachdenke«, bekannte sie.
»Nein, Solveigh. Ganz falsch. Du denkst nicht darüber nach, zu ihm zurückzugehen, damit er dir beim nächsten Mal vielleicht den Kiefer zertrümmert. Wer weiß, er könnte dich auch umbringen. Du denkst darüber nach, eine einstweilige Verfügung gegen ihn zu erwirken, damit er endlich damit aufhört, uns zu terrorisieren.«
»Wenn es dich so sehr belastet, kann ich gehen, Katja. Du hast viel durchgemacht in letzter Zeit. Jetzt auch noch mich und meine Eheprobleme am Hals zu haben ist wahrscheinlich zu viel für dich.«
Katja schnappte sich die Flasche mit Olivenöl und schleuderte sie auf den Fußboden. »Du bleibst hier und stehst es durch, Solveigh! Ich lass nicht zu, dass er dich kaputtmacht! Hier bei mir bist du vor ihm sicher, das schwöre ich dir.«
Solveigh starrte auf die Glasscherben, die in einer sich schnell ausbreitenden Lache Öl lagen. Katja ignorierte die Bescherung zu ihren Füßen. Sie stützte sich schwer auf die Arbeitsplatte. »Tut mir leid, doch dass er diese Macht über dich hat, bringt mich einfach zur Weißglut«, sagte sie matt.
»Bevor er nicht eine Therapie macht, gehe ich nicht zu ihm zurück«, beschwichtigte Solveigh ihre Freundin.
»Hier bist du sicher«, wiederholte Katja, als betete sie ein Mantra herunter. Doch das war es gerade, was Solveigh Beklemmungen verursachte. Katjas Haus kam ihr wie ein Bunker vor. Sie fühlte sich durch die komplizierte Alarmanlage, die Fensterschlösser und die Gegensprechanlage nicht sicherer, sondern verletzlicher als sonst. Solveigh bückte sich und begann, die größeren Scherben mit der Hand aufzulesen. Die Öllache würde nicht so einfach zu entfernen sein, und das Zeug drang schon jetzt in die Fugen der Fliesen ein.
Katja schien sich keine Gedanken darüber zu machen. »Lass das!«, sagte sie, griff nach Solveighs Arm und zog sie zu sich hoch. Ihr Gesicht war ganz dicht vor dem ihren. Solveigh konnte den intensiven Geruch nach heißem Öl und Fleisch auf Katjas Haut und in ihren Haaren riechen. Sie blickte ihrer Freundin direkt in die Augen und sah zum ersten Mal in ihrem Leben, dass Katja Angst hatte.
Inzwischen war Hinnerks Mitbewohner, Moritz Barkau, aus der Vier-Zimmer-Wohnung ausgezogen. Hinnerk war gerade in der Küche mit der Herstellung von Tomate-Mozzarella-Baguettes beschäftigt. Pia reagierte auf Essensgerüche immer noch mit Übelkeit, und hin und wieder fand sie, dass diese Macke ganz praktisch war. So ging sie den langen Flur hinunter zu den leer stehenden Räumen und trat ein.
Ohne Moritz’ Chaos und im Licht zweier nackter Glühbirnen, die von der Decke hingen, sahen die Zimmer ganz anders aus, als Pia sie in Erinnerung gehabt hatte. Das größere hatte zwei
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