Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut
heraus, der in dieser scheinbar harmlosen Bemerkung mitschwang. In Katjas Augen waren es immer die anderen, die gefördert wurden oder etwas gewannen. Sie selbst kannte dieses Gefühl, stets in der zweiten Reihe zu stehen, ebenfalls. Doch Katja hatte sich dazu entschieden, für ihre Ziele zu kämpfen.
Maria schien nichts von Neid und Missgunst zu bemerken. Sie trank vorsichtig einen Schluck aus ihrem Glas. »Sehr lecker«, sagte sie. »Janet hatte übrigens gar kein Stipendium. Sie war eine ganz normale Studentin.«
»Aber die Schauspiel-Schule, auf die sie gegangen ist, das war doch eine Privatschule! Da musste man monatliche Studiengebühren bezahlen, vom eigenen Lebensunterhalt ganz zu schweigen.« Katja hatte ihr Glas schon ausgetrunken und wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab. »Und Janet war talentiert. Warum also kein Stipendium? Wir haben oft über ihre Zukunftspläne gesprochen. Ohne Unterstützung hätte Janet sich die Ausbildung gar nicht leisten können.« Katja wusste, wovon sie sprach. Sie zahlte immer noch einen Studien-Kredit ab, dachte Solveigh.
»Ich bin mir sicher, dass es nicht so war«, beharrte Maria. »Ich habe Janet kennengelernt, als sie kurz vor dem Abschluss stand. Nicht lange danach hat sie ihre Rolle in Ein Tag wie heute bekommen. Sie sagte, das sei eine göttliche Fügung, weil ihre Ersparnisse komplett aufgebraucht seien.«
»Janet hatte kein Geld«, erklärte Katja streitsüchtig.
Ostseeblut war ein Teufelszeug. Es hatte schon immer diese Wirkung auf Katja gehabt, erinnerte sich Solveigh mit einem Schaudern. Sie würde nie nachgeben, nicht einen Millimeter, und wenn es sie den Kopf kosten würde. Wie hatte sie nur vorschlagen können, dieses alte Rezept wieder auszugraben?
»Sie hatte auch kein Stipendium«, sagte Maria bestimmt.
»Vielleicht hatte sie einen Gönner«, schlug Solveigh vor.
»Gönner!« Katja schnaubte verächtlich. »Sol, du hörst dich schon an wie deine verstaubten viktorianischen Liebesromane! Außerdem war Janet nicht auf Männer fixiert, wie wir heute erfahren haben, sondern sie liebte Frauen.«
»Dann eine Gönnerin – eine …«
»Ich war es nicht«, versetzte Maria trocken.
»Janet hat sich nach ihrer Entlassung überhaupt nicht mehr bei uns gemeldet. Das passte nicht zu ihr. Vielleicht besteht da ein Zusammenhang: Janets plötzliche finanzielle Unabhängigkeit und dass sie den Kontakt zu uns abgebrochen hat.« Katja reckte streitlustig das Kinn.
»Was willst du damit andeuten?«, fragte Maria drohend.
Solveigh sah wie unbeteiligt zum Fenster hinaus. Hinter dem gläsernen Halbrund der Bar konnte sie die Lübecker Altstadt sehen. Die Lichter der Häuser spiegelten sich im leicht bewegten Wasser der Trave. Ein traumhaft schöner Abend. Wollte Katja ihn mit Gewalt verderben?
»Nichts. Ich will nichts andeuten«, hörte sie Katja sagen. »Trotzdem wirft die ganze Geschichte ein paar Fragen auf. Ich erinnere mich genau daran, dass Janet kurz nach Tamaras Selbstmord entlassen worden ist. Woher hatte sie mit einem Mal Geld?«
»Katja, du weißt doch gar nicht, ob es so war. Hör auf damit!«, flehte Solveigh. Die Richtung, die das Gespräch nahm, der wütende Gesichtsausdruck der Griechin, alles schien mit einem Mal geradewegs auf eine Katastrophe zuzusteuern.
»Was genau meinst du?«, fragte Maria Barlou mit kalter Stimme.
»Vielleicht bekam Janet ja Geld dafür, dass sie verschwindet?«
»Sie wurde offiziell aus dem Heim entlassen. Janet ist nicht einfach abgehauen«, warf Solveigh ein.
»Dann hat sie vielleicht Geld dafür bekommen, dass sie den Mund hält und geht.«
»Und ich dachte, ihr wärt Janets Freundinnen gewesen«, sagte Maria und rückte ein Stück vom Tisch ab.
»Das sind wir auch. Es ist nur merkwürdig«, ritt sich Katja immer tiefer in den Sumpf hinein.
»Mir gefällt nicht, was ihr da andeutet.«
»Wir deuten doch gar nichts an«, sagte Solveigh.
Maria beachtete sie nicht, sondern starrte Katja an. »Janet hat übrigens immer nur gut von euch geredet. Besonders über dich, Katja. Ich hatte den Eindruck, dass sie euch vor allem vor irgendetwas beschützen will. Das wollte ich euch noch sagen. Aber was soll’s!« Maria Barlou erhob sich graziös. Katja und Solveigh sahen wortlos zu, wie sie einen Geldschein auf den Tresen legte und die Bar verließ.
»Südländisches Temperament«, bemerkte Katja spöttisch.
»Das hast du ja toll hingekriegt, Katja«, klagte Solveigh, die nun wieder nüchtern war.
»Interessant ist
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