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Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut

Titel: Ostseeblut - Almstädt, E: Ostseeblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Almstädt
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kompletten Tauchausrüstung. Und da war der Heizungskeller für die superenergiesparende Gasheizung, die keine Abwärme mehr hatte, um Wäsche vernünftig im Keller zu trocknen. War der Angreifer durch ein Kellerfenster hier eingedrungen? Nein, sie hatte ihm ja die Tür geöffnet. Die Angst setzte Solveigh so sehr zu, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Sollte die Panik nicht ihre Sinne schärfen? Sie zu Flucht oder Kampf befähigen? Ihr bei der Suche nach einem Ausweg behilflich sein? Wofür war die ganze Evolution denn gut, wenn am Ende ein Mensch wie sie dabei herausgekommen war, der nichts konnte, als sich vor Angst in die Hose zu machen?
    Ihre Sinne jedenfalls waren nur insoweit geschärft, als sie die Schmerzen spürte: seitlich am Hinterkopf, dort, wo sie niedergeschlagen worden war, und am ganzen Körper, wo die Fesseln in ihr Fleisch schnitten. Ihre Muskeln verhärteten sich aus Protest gegen die erzwungene Bewegungslosigkeit. Bald würde sie Krämpfe bekommen. Sie hatte diese Art von Schmerzen vollkommen vergessen gehabt. Die Muskelkrämpfe, wenn sie sich im Heim in Koffern oder Schränken versteckt hatte, um … ja, um Aufmerksamkeit zu erregen. An ihre Einsamkeit und die Verzweiflung, daran erinnerte sie sich jeden Tag.
    Wie lange würde sie überleben, wenn niemand kam? Katja schien selten Besuch zu bekommen, eigentlich nie. Wer also sollte kommen? Und was war, wenn Katja neben ihr starb? Und Roxy? Wann kamen die Fliegen, wann der Geruch?
    Aufhören!, versuchte Solveigh, Kontrolle über ihre Gedanken zu erlangen. Denk positiv! Ha, ha. Was würde Dale Carnegie zu dieser Situation sagen? Denk positiv! Pah, nicht, wenn du es sogar schon riechen kannst. Du riechst es doch, oder? Es roch nach … etwas Verdorbenem. Sie sog beunruhigt die Luft ein, um sich zu versichern, dass sie sich das nur einbildete. Doch es war da. Es roch nach faulen Eiern? Wie faule Eier rochen, wusste sie allerdings nur aus dem Chemieunterricht und von den Stinkbomben, die ihr in ihrem Leben begegnet waren.
    Der Angreifer hatte sie überwältigt und eine Stinkbombe geworfen … Solveigh kicherte unkontrolliert und schluchzte dann auf. Sie musste sich zusammenreißen. Nachdenken war das Einzige, was ihr in dieser Situation weiterhelfen konnte. Klar, Schätzchen, weil du gefesselt und geknebelt bist! Solveigh versuchte, sich zurück auf den Bauch zu drehen. Vielleicht konnte sie die Knie unter den Körper ziehen und irgendwie auf die Füße kommen. Sie wollte zur Tür, zum Ausgang.
    Als sie sich langsam in Bauchlage drehte, hörte sie ein gedämpftes Klappern und fühlte … das Handy, das sich in ihrer Sweatshirttasche vor ihrem Bauch befand. Jetzt erinnerte sie sich wieder: Sie hatte die Polizistin anrufen wollen, als Roxy an der Tür gekratzt hatte. Sie hatte die Nummer schon eingegeben gehabt, aber wieder aufgelegt, bevor die Verbindung zustande gekommen war. Konnte sie sich das zunutze machen? Solveigh zerrte an ihren Fesseln, versuchte, eine Hand herauszuziehen, doch vergeblich. Viel zu fest waren ihre Handgelenke miteinander verknotet, und das Zerren schien die Bänder immer enger werden zu lassen. In ihren Fingerspitzen kribbelte und stach es.
    Sie brauchte das Telefon!
    Solveigh versuchte, ihre an den Fesseln zusammengebundenen Beine unter den Bauch zu ziehen, doch es gelang ihr nicht. Sie stützte sich mit dem Kinn auf dem Steinfußboden ab, und ihre Rückenmuskeln verkrampften sich, doch sie kam nicht hoch. Erschöpft ließ sie sich wieder auf die Seite fallen. Aber ihre Tasche hatte doch seitliche Öffnungen, also … Solveigh zog die Beine an und hob das Becken, bewegte sich hin und her, bis endlich … das Telefon aus der Tasche rutschte. Da lag es, klein, silbern – die Rettung? Immerhin war es auf die richtige Seite gefallen. Die Tasten lagen oben.
    Die Euphorie währte nur kurz, denn Solveigh erkannte, dass sie das Ding nicht bedienen konnte, solange ihre Hände auf dem Rücken gefesselt waren und ein Knebel in ihrem Mund steckte. Aber aufzugeben kam ihr auch nicht in den Sinn. Es reichte, wenn sie die grüne Hörertaste zwei Mal betätigte, oder nicht? Baute sie damit eine Verbindung zu der zuletzt gewählten Nummer auf … die zu der Polizistin aus Lübeck? Nicht, dass das viel gebracht hätte, denn sie konnte ja kein Wort sagen … Solveigh robbte auf dem Fußboden entlang, bis das Telefon sich auf Höhe ihrer Hände befand. Sie fühlte es an ihrem Handrücken, aber sie konnte das Telefon nicht sehen. Was, wenn

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