Ostseefluch
die Staatsanwältin hatte sich nicht erweichen lassen. Und das, obwohl die Recherchen, was die Gärtnerei Ingwers anging, ein paar interessante Details zutage gefördert hatten. Zum Beispiel die Klage einer ehemaligen Angestellten auf Nichteinhaltung von Arbeitsschutzbestimmungen während ihrer Schwangerschaft. Die Klage war abgewiesen worden, weil die Frau nicht hatte beweisen können, dass sie ihren Arbeitgeber rechtzeitig davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass sie ein Kind erwartete. Es war zu einer Totgeburt unklarer Ursache gekommen. Das alles lag aber schon zwei Jahre zurück, und, wie die Staatsanwältin betont hatte, es gab keine erkennbare Verbindung zischen den Vorkommnissen in der Gärtnerei und dem Mord an Milena Ingwers.
Pia ging durch eine automatische Glastür in die sich anschließenden Gewächshäuser. Obwohl die Glasflächenfenster zum Teil geöffnet waren und über ihrem Kopf ein Ventilator brummte, war es stickig und der Boden feucht. Irgendwo tröpfelte Wasser. Hinten, an einem der Tische mit Pflanzen, standen drei Frauen und zupften welke Blätter von roten, gelben und weißen Begonien. Sie sahen nicht auf, als Pia sich näherte. Sobald sie mit der letzten Pflanze auf einem der Tische fertig waren, drehten sie sich sofort zum nächsten Tisch um und fuhren dort mit ihrer Arbeit fort.
»Hallo«, sagte Pia. »Darf ich kurz stören?«
Die Älteste von ihnen, die ihr dunkles Haar mit einem Tuch nach hinten gebunden trug, sah kurz auf, ohne ihre Tätigkeit zu unterbrechen. Sie schien die vertrockneten Blättchen mit den Fingerspitzen erspüren zu können. »Ungern. Wir arbeiten. Hat es bis zur Pause Zeit?«
»Wann haben Sie denn Pause?«
»Um zehn.«
Pia sah auf die Uhr. Noch vier Minuten. Aber auch Ingwers konnte jeden Moment auftauchen.
»Pass doch auf, Ellen«, sagte die Frau zu einer jüngeren Kollegin. »Du hast schon wieder was übersehen. Die ganze Nacht rumvögeln und sich dann hier auf der Arbeit ausruhen, das läuft nicht.«
Pia wandte sich ab. Wann immer sie in Zukunft mit ihrem Job unzufrieden wäre, wollte sie sich an diese monotone Tätigkeit erinnern und dankbar sein ... Sie schaute noch in das angrenzende Gewächshaus, in der Minipflanzen unklarer Art und Gattung einem feinen Sprühnebel ausgesetzt waren. Sie las eines der Schildchen und war immer noch nicht schlauer. Ein lauter Hupton ließ sie zusammenfahren. Das Geräusch erinnerte an einen Luftschutzalarm. Sie beobachtete, wie die Arbeiterinnen sich, ohne zu zucken, umdrehten und einer Metalltür im hinteren Bereich des Gewächshauses zustrebten. Aus dem angrenzenden Bereich mit den Gehölzen, der Blumenerde und den Pflanztöpfen kamen ebenfalls Mitarbeiter. Die ganze Szenerie hätte wie ferngesteuert gewirkt, wären da nicht auch ein paar der Arbeiter gewesen, die leise miteinander redeten, spöttische Bemerkungen machten und darüber lachten. Die meisten aber hielten den Kopf gesenkt.
Pia lief hinter ihnen her. »Einen Moment bitte.« Sie hielt der Frau, mit der sie schon gesprochen hatte, die Dienstmarke hin. »Ich muss wirklich mit Ihnen reden.«
Die Angesprochene starrte auf die Marke wie auf ein giftiges Insekt. »Fragen Sie da besser den Chef ...«
»Herr Ingwers weiß, dass wir heute hier sind. Wir ermitteln im Fall seiner Tochter.«
Sie seufzte und sah sich kurz um. »Also gut. Kommen Sie mit!« Sie führte Pia einen Gang hinunter in einen kleinen Personalraum. Die übrigen Mitarbeiter mussten für ihre Pause anderswo untergekommen sein, denn hier hielt sich außer Pia und der dunkelhaarigen Gärtnereiangestellten niemand auf. Die Einrichtung bestand aus einem quadratischen Resopaltisch, zwei Stühlen, einem alten Untertischkühlschrank und einer Kaffeemaschine. Es gab kein Fenster, dafür ein Waschbecken mit einer Flasche Handwaschpaste am Beckenrand.
»Wir klären zunächst, ob Sie uns bei unseren Ermittlungen überhaupt weiterhelfen können«, sagte Pia, nachdem sie sich vorgestellt und den Namen der Frau notiert hatte. »Wie lange arbeiten sie schon für Ingwers, Frau Eckert?«
»Im Herbst zwei Jahre.«
»Haben Sie viel mit Herrn oder Frau Ingwers zu tun?«
»Wieso sollte ich? Sie ist fast nie hier, und er ist meistens in seinem Büro.«
»Kannten Sie Milena Ingwers?«
»Seine Tochter? Nur vom Sehen. Sie kam nur selten her.«
»Und Patrick Grieger?«
»Wer soll denn das sein?«
»Milena Ingwers’ Freund.«
»Kenn ich nicht.«
»Die Organisation Pomona? «
Ute Eckert wich etwas vor Pia zurück
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