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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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extraschnell. Als ob sie eine völlig andere Spezies wären.«
    »Ich war während der Unruhen in St. Louis in der Nationalgarde«, sagte Captain Parkins. In seiner Stimme lag eine Kälte, die Christabel noch am anderen Ende des Zimmers erschauern ließ. »Sie sind eine völlig andere Spezies.«
    »Na, jedenfalls wünschte ich, die Heels würden ein paar mehr von denen einkaufen«, sagte ihr Papi lachend. »Wir könnten im Abwehrriegel noch ein paar Muskeln gebrauchen.«
    Christabel wurde es langweilig, ihrem Gespräch über Sport zuzuhören. Das einzige, was ihr daran gefiel, waren die Namen der Teams – Tarheels, Blue Devils, Demon Deacons. Sie hätten aus einem Märchen sein können.
    Sie hatte das Bild des schönen Prinzen ein Weilchen angehalten. Jetzt tippte sie auf den Kopfhörer und ließ es weiterlaufen. Er glitt durch ein Gestrüpp aus Sträuchern, die lauter Dornen hatten, große lange spitze. Obwohl sie das Märchen schon so oft gesehen hatte, hatte sie immer noch Angst, er könnte an einem hängenbleiben und sich doll verletzen.
    »Er bahnte sich den Weg durch die Dornenhecke und fragte sich, was dahinter wohl verborgen sein mochte«, sagte die Stimme in ihrem Ohrenstöpsel. Sie hatte nur einen drin, um Papi und seinen Freund reden zu hören, deshalb war die Stimme leise. »Und jetzt liest du den nächsten Teil«, sagte die Stimme. Christabel beäugte die Textzeilen, die unter den Dornen erschienen, als wären sie auf eine Nebelwolke geschrieben.
    »Et… etliche Male verfing er sich an den dornigen Zweigen«, las sie, »und einmal blieb er so fest hängen, daß er schon bef… bef… befürchtete, nie mehr zu entkommen. Aber vorsichtig machte er sein Hemd und seinen Mantel los. Seine Kleider waren zerrissen, aber er war unverletzt.«
    »Christabel, Liebes, könntest du ein klein wenig leiser lesen?« rief ihr Papi. »Ron kennt den Schluß noch nicht. Du verdirbst ihm die Geschichte.«
    »Ha ha, ein guter Witz«, sagte Captain Parkins.
    »Entschuldige, Papi.« Sie las flüsternd weiter, wie der Prinz durch eine Spinnwebwand drang und auf einmal vor dem Tor des Dornröschenschlosses stand.
    »Oh, ich muß dir eine Geschichte über unsern kleinen alten Freund erzählen«, sagte Captain Parkins. »Ich hab ihn gestern dabei erwischt, wie er an der Bezugsliste vom PX rumgemurkelt hat. Man sollte meinen, bei seinem Lebensmittelverbrauch hätte er versucht, seine Rationen zu verdoppeln, aber er wollte lediglich sein Kontingent eines ganz bestimmten Bedarfsartikels erhöhen.«
    »Laß mich raten. Pflanzendünger? Nährlösung?«
    »Noch merkwürdiger. Und wenn man bedenkt, daß er seit dreißig Jahren nicht mehr aus dem Haus gegangen ist, absolut grotesk …«
    Christabel hörte nicht weiter zu, weil sich am unteren Rand der Geschichte vom Dornröschen neue Wörter bildeten. Sie waren größer als die anderen, und eines davon war ihr Name.
    HILF MIR CHRISTABEL, stand da. GEHEIM VERRAT ES NIEMAND.
    Als das Wort »GEHEIM« erschien, merkte sie, daß sie laut las. Sie hielt erschrocken inne, aber Captain Parkins war immer noch dabei, ihrem Papi zu erzählen, und sie hatten sie nicht gehört.
    »… Ich habe natürlich die Leute vom PX angewiesen, die Bestellung zurückgehen zu lassen, solange er ihnen keine einsichtige Erklärung geben kann, und ich habe ihnen außerdem aufgetragen, sämtliche ungewöhnlichen Wünsche an mich weiterzuleiten. Was glaubst du, was er damit anstellen will? Eine Bombe bauen? Frühjahrsputz machen?«
    »Du hast ganz recht, er ist seit Jahrzehnten nicht mehr vor der Tür gewesen. Nein, ich glaube, er ist schlicht und einfach senil. Aber wir müssen ihn im Auge behalten. Vielleicht sollte ich mal vorbeigehen und kontrollieren – aber erst, wenn ich diese Erkältung los bin. Ich bin sicher, das Haus ist die reinste Brutstätte von Viren.«
    Christabel las immer noch die Wörter in ihrer MärchenBrille, aber sie las sie jetzt stumm und hielt sogar den Atem an, weil es aufregend war, direkt neben ihrem Papi ein Geheimnis zu haben. »… UND BRING SIE MIR BITTE MACH SCHNELL VERRAT ES NIEMAND GEHEIM.«
    Die normalen Wörter kamen wieder, aber Christabel wollte Dornröschen nicht mehr weiterlesen. Sie setzte die Brille ab, aber bevor sie noch aufstehen konnte, erschien ihre Mutter in der Wohnzimmertür.
    »Na, ihr zwei seht ja ganz fidel aus«, sagte sie. »Ich dachte, du wärest krank, Mike.«
    »Nicht so sehr, daß ein bißchen Football und eine wohldosierte Schluckimpfung mit Single Malt

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