Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
ein Unkraut mit sehr tiefen Wurzeln. Schu war ein Gründungsmitglied unserer Neunheit – Entschuldigung, General, unserer Bruderschaft. Solche Wurzeln müssen sorgfältig freigelegt und dann die ganze Pflanze mit einem Ruck herausgerissen werden. Ich habe einen solchen Prozeß in die Wege geleitet, und bei unserem nächsten Treffen werde ich euch die Pläne vorlegen.« Mit gerade so viel offensichtlichen Mängeln behaftet, daß Schwachköpfe wie du etwas haben, was sie anpinkeln können, General. Osiris wollte jetzt, daß die Sitzung möglichst bald aus war. Dann werde ich euch für eure klugen Ratschläge danken, und ihr laßt mich in Ruhe das machen, worauf es eigentlich ankommt, nämlich unsere Interessen schützen. »Sonst noch etwas? Dann danke ich euch, daß ihr kommen konntet. Ich wünsche euch allen viel Glück bei euren verschiedenen Projekten.«
    Einer nach dem anderen blendeten sich die Götter aus, bis Osiris wieder allein war.
     
    Die strengen Linien des Westlichen Palastes waren dem gemütlichen Lampenschein von Abydos-Olim gewichen. Myrrhenduft und die Gesänge der auferstandenen Priester stiegen um ihn herum auf wie das wohlige Wasser eines warmen Bades. Er wagte nicht, zu den Versammlungen der Bruderschaft im vollen Glanz seiner Göttlichkeit zu erscheinen – er galt ohnehin schon als leicht exzentrisch, wenn auch harmlos –, aber es war ihm viel wohler dabei, Osiris zu sein als der allzusterbliche Mensch darunter, und er vermißte die Annehmlichkeiten seines Tempels, wenn er gezwungen war, ihn zu verlassen.
    Er kreuzte die Arme über der Brust und befahl einem seiner Hohenpriester vorzutreten. »Ruf mir den Herrn der Mumifikation. Ich bin jetzt so weit, ihm Audienz zu gewähren.«
    Der Priester – ob Software oder Sim konnte der Gott nicht entscheiden, und es war ihm auch gleichgültig – verzog sich eilig in das Dunkel im Hintergrund des Tempels. Einen Augenblick später kündigte eine gellende Fanfare die Ankunft des Anubis an. Die Priester wichen zurück und drückten sich an die Tempelwände. Das dunkle Schakalhaupt war hoch erhoben und wachsam, als prüfte es die Luft. Der Gott war sich nicht sicher, ob ihm diese Haltung lieber war als die übliche Lustlosigkeit des Boten.
    »Hier bin ich.«
    Der Gott musterte ihn eine Weile. Sie stimmte, die Maske, die er für sein Lieblingswerkzeug gewählt hatte. Er hatte das Potential des Jungen frühzeitig erkannt und hatte viele Jahre darauf verwandt, ihn zu erziehen, nicht wie einen Sohn – Gott bewahre! –, sondern wie einen Jagdhund, den man für die Aufgaben abrichtete, für die er am besten geeignet war. Aber wie jedes temperamentvolle Tier wurde auch dieses manchmal übermütig und sogar bockig; manchmal mußte man es ein wenig die Peitsche schmecken lassen. Aber neulich hatte er sie Anubis mehr als nur schmecken lassen, und das war ungut. Zu viel Strafe stumpfte die Wirkung ab. Vielleicht bot sich jetzt eine Gelegenheit, etwas anderes zu versuchen.
    »Ich bin nicht sehr erfreut über deine südamerikanischen Subunternehmer«, fing er an. Das Schakalhaupt duckte sich leicht in Erwartung der Schelte. »Sie sind impertinent, um es gelinde auszudrücken.«
    »Allerdings, Großvater.« Zu spät erinnerte sich Anubis an die Abneigung seines Herrn gegen diese Anrede. Die schmale Schnauze zuckte abermals, wenn auch kaum merklich.
    Der Gott tat so, als wäre es nicht geschehen. »Aber ich weiß, wie so etwas gehen kann. Die Besten entwickeln häufig Ehrgeiz in eigener Sache. Sie meinen, sie wüßten mehr als diejenigen, die ihnen Arbeit geben – auch wenn ihre Arbeitgeber Zeit und Geld in ihre Ausbildung investiert haben.«
    Der spitzohrige Kopf neigte sich, daß der glaubhafte Eindruck eines verwunderten Hundetieres entstand. Anubis fragte sich, was mit der Bemerkung wohl noch gemeint sein mochte.
    »Wie dem auch sei, wenn sie für den Auftrag die Besten sind, mußt du sie nehmen. Ich habe ihre Anfrage gesehen, und ich übermittle dir jetzt die Maßgaben, nach denen du mit ihnen verhandeln kannst.«
    »Du willst dich auf sie einlassen?«
    »Wir werden sie nehmen. Falls sie nicht zu unserer Zufriedenheit arbeiten, werden sie selbstverständlich nicht den Lohn erhalten, den sie erstreben. Falls doch – nun, dann werde ich mir zur gegebenen Zeit überlegen, ob ich mich an die Abmachung halte.«
    Es trat ein Schweigen ein, währenddessen er die Mißbilligung des Boten spüren konnte. Der Gott fand das amüsant – selbst Mörder hatten ihre

Weitere Kostenlose Bücher