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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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früher mit uns gearbeitet. Du weißt, wir werden dir liefern, was du brauchst. Und sofern du dich nicht gewaltig verändert hast, Señor, hast du vor, die Leitung der Sache selbst in die Hand zu nehmen. Wem und welcher Vorbereitungsarbeit würdest du deine Sicherheit eher anvertrauen – einem Klekker, der auf fremdem Gelände operiert, oder uns, die wir dort zuhause sind?«
    Dread hob die Hand. »Schickt mir euer Angebot. Ich werde darüber nachdenken.«
    »Es wurde soeben übermittelt.«
    Er krümmte die Finger. Das Büro und die gesichtslosen Schwestern verschwanden.
     
    Er ließ sein Glas Bier auf den Boden fallen und sah zu, wie die Neige auf den weißen Teppich ausschäumte. Die Wut brannte in seinem Bauch wie glühende Kohlen. Die Beinhas waren eindeutig die richtigen für den Job, und sie hatten recht, was Klekker und seine Söldnerhorde betraf, was bedeutete, daß er zumindest mit dem Alten Mann reden mußte, ihm von der Anfrage der Schwestern berichten mußte.
    Und das wiederum bedeutete, daß er vor dem verrückten alten Scheißkerl auf den Knien rutschen mußte, wenigstens symbolisch. Schon wieder. Genau wie auf diesem alten Reklamebild, wo der Hund aufmerksam lauscht, was aus dem Radio oder so einem Dingsda kommt. His Masters Voice. Die Stimme seines Herrn. Auf allen vieren, wie so viele Male in seiner Kindheit, bevor er gelernt hatte, Schmerz mit Schmerz zu vergelten. Die vielen dunklen Nächte, in denen er unter den anderen Jungen geschrien hatte. Die Stimme seines Herrn.
    Er stand auf und tigerte in dem kleinen Zimmer auf und ab, die Fäuste so fest geballt, daß die Fingernägel ins Fleisch schnitten. Vor lauter würgendem Zorn bekam er nur mühsam Atem. Er hatte an dem Abend noch drei Gespräche zu führen, kleinere Sachen, aber im Moment traute er sich nicht zu, sie anständig über die Bühne zu bringen. Die Beinhas hatten ihn dort, wo sie ihn haben wollten, und sie wußten es. Ex-Huren wußten immer, wann sie einen bei den Eiern zu packen hatten.
    Schmerz mit Schmerz vergelten.
    Er ging zum Waschbecken, ließ sich kaltes Wasser in die Hände laufen und schwappte es sich ins Gesicht. Es klatschte ihm die Haare an und triefte ihm vom Kinn auf die Brust, durchnäßte sein Hemd. Seine Haut fühlte sich heiß an, als ob ihn der Ärger aufgeheizt hätte wie einen Bullerofen. Als er sich im Spiegel anschaute, erwartete er fast, das Wasser an sich verdampfen zu sehen. Seine Augen, stellte er fest, waren geweitet, so daß ringsherum ein weißer Rand erschien.
    Er brauchte ein Ventil. Ein bißchen Abwechslung, um seine Gedanken zu glätten, Spannung abzubauen. Eine Antwort. Eine Antwort auf die Stimme seines Herrn.
    Durch sein kleines Fenster fiel sein Blick auf den Saurierbuckel der Brücke und das weite Lichtermeer von Groß-Sidney. Es war nicht schwer, auf dieses Pulsen und Glitzern hinunterzuschauen und sich vorzustellen, jedes der Lichter sei eine Seele und er könne – wie Gott auf seinem hohen Thron – einfach die Hand ausstrecken und eines oder mehrere auslöschen. Oder alle.
    Bevor er weitermachen konnte, beschloß er, mußte er sich einen kleinen Ausgleich verschaffen. Danach würde er sich bestimmt stärker fühlen, so wie er sich gern fühlte.
    Er drehte seine innere Musik auf und ging die scharfen Sachen holen.
     
     
    > »Ich zweifle nicht daran, daß es stimmt«, sagte der Gott. »Ich frage: Können wir es einfach hinnehmen?«
    Der Rest der Neunheit blickte ihn mit Tieraugen an. Ewige Dämmerung erfüllte die breiten Fenster des Westlichen Palastes und tauchte den ganzen Saal in ein bläuliches Licht, das auch die Öllampen nicht ganz vertreiben konnten. Osiris erhob sein Geißelszepter. »Können wir es hinnehmen?« wiederholte er.
    Ptah, der Demiurg, verneigte sich leicht, obwohl Osiris bezweifelte, daß Ptahs Pendant im wirklichen Leben etwas Derartiges getan hatte. Das war einer der Vorteile, die daraus erwuchsen, daß die Bruderschaft ihre Treffen auf seinem virtuellen Terrain abhielt – seine Regelsysteme konnten wenigstens ein Minimum an Höflichkeit dazugeben. Wie um zu beweisen, daß die Verneigung nicht seine eigene Geste gewesen war, versetzte Ptah bissig: »Nein, verdammt, natürlich können wir es nicht hinnehmen. Aber dieser Kram ist brandneu – da muß man das Unerwartete erwarten.«
    Osiris wartete ein wenig, bevor er antwortete, damit sich sein Ärger abkühlen konnte. Die meisten anderen Mitglieder des Hohen Rates der Bruderschaft waren mindestens so dickköpfig wie

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