Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
Ehrbegriffe. »Wenn du sie betrügst, wird sich das rasch herumsprechen.«
    »Wenn ich sie betrüge, werde ich es ganz gewiß auf eine Art und Weise tun, daß niemand je davon erfahren wird. Wenn ihnen zum Beispiel zufällig etwas zustößt, wird der Unfall so offensichtlich nicht unser Werk sein, daß du dir keine Gedanken darüber machen mußt, er könnte deine sonstigen Kontakte verschrecken.« Der Gott lachte. »Siehst du, mein Getreuer? Du hast doch noch nicht alles von mir gelernt. Vielleicht solltest du noch ein bißchen warten, bevor du daran denkst, dich selbständig zu machen.«
    Anubis antwortete langsam. »Und woher weiß ich, daß du mit mir nicht eines Tages genauso verfährst?«
    Der Gott beugte sich vor und legte seine Geißel geradezu liebevoll auf die flache Stirn des Schakals. »Verlaß dich darauf, mein Bote, wenn ich die Notwendigkeit sähe, würde ich es tun. Wenn du dich zu deinem Schutz ausschließlich auf meine Ehre verläßt, bist du nicht der Diener, in den ich mein Vertrauen setzen möchte.« Hinter der Maske, hinter der ganzen komplexen Apparatur, lächelte Osiris darüber, wie offensichtlich Anubis im Kopf die Sicherheitsvorkehrungen durchging, die er getroffen hatte, um sich vor seinem Herrn zu schützen. »Aber Verrat ist ein Werkzeug, das man sehr behutsam einsetzen muß«, fuhr der Gott fort. »Nur deswegen, weil ich dafür bekannt bin, daß ich mich an Abmachungen halte, könnte ich mich, wenn ich wollte, dieser allzu forschen Schwestern entledigen. Merk dir, Ehrlichkeit ist die einzige wirklich gute Tarnung für gelegentliches unehrliches Verhalten. Niemand traut einem notorischen Lügner.«
    »Ich werde es mir merken, o Herr.«
    »Gut. Es freut mich, dich in aufnahmewilliger Stimmung anzutreffen. Vielleicht möchtest du auch dem hier deine Aufmerksamkeit schenken…?«
    Der Gott ließ seinen Krummstab leicht vorschnellen, und ein kleiner Kasten erschien vor dem Thron in der Luft. Darin sah man ein körniges holographisches Bild von zwei Männern in zerknautschten Anzügen, die zu beiden Seiten eines Schreibtischs standen. Abgesehen von den Fotos, die auf der unordentlichen Tischfläche verteilt lagen, hätte man sie für Verkäufer halten können.
    »Siehst du die Bilder dort?« fragte Osiris. »Wir haben Glück, daß die Polizei wegen ihrer beschränkten Finanzmittel immer noch auf zweidimensionale Darstellungen angewiesen ist. Andernfalls könnte dies ziemlich verwirrend wirken – ungefähr wie die Spiegel beim Friseur.« Er vergrößerte den Würfel, bis die Figuren lebensgroß waren und die Fotos sich gut betrachten ließen.
    »Warum zeigst du mir das?«
    »Oh, bitte.« Der Gott nickte, und die beiden Figuren im Innern des Würfels wurden lebendig.
    »… Nummer vier. Das gleiche in grün«, sagte der erste Mann. »Nur daß diesmal die Schrift auf dem Opfer selbst war, nicht auf etwas, das sie dabeihatte.« Er deutete auf eines der Fotos. Das Wort »Sang« stand in Großbuchstaben auf ihrem Bauch. Die blutigen Lettern verflossen in das größere Rot weiter unten.
    »Und immer noch keine zündende Idee, was damit gemeint sein könnte? Ein Name? Ein Ort? Ich nehme an, wir sind von der Denunziantenhypothese abgekommen.«
    »Keine von denen war eine Denunziantin. Das waren ganz normale Leute.« Der erste Polizist schüttelte frustriert den Kopf. »Und wieder die Bildstörung bei den Überwachungskameras. Als ob jemand mit einem Elektromagneten vorgegangen wäre, aber das Labor sagt, es war kein Magnet.«
    »Scheiße.« Der zweite Polizist starrte die Bilder an. »Scheiße, Scheiße, Scheiße.«
    »Irgendwas wird sich schon ergeben.« Der erste Mann klang beinahe überzeugend. »Diese Typen machen alle irgendwann mal einen Fehler. Werden leichtsinnig, nicht wahr, oder sie treiben’s einfach zu weit…«
    Der Gott machte eine Geste, und der Würfel schrumpfte zu einem Fünkchen zusammen. Das einzige, was sein langes Schweigen auflockerte, war das Stöhnen der knienden Priester. »Ich habe schon einmal mit dir über die Sache gesprochen«, sagte er schließlich.
    Anubis gab keine Antwort.
    »Es ist weniger die Unappetitlichkeit deiner Zwangshandlungen, die mich stört«, fuhr der Gott fort und ließ dabei zum erstenmal Ärger in seiner Stimme durchklingen. »Alle Künstler haben ihre Marotten, und ich halte dich für einen Künstler. Aber deine Vorgehensweise mißfällt mir. Du hängst deine speziellen Talente regelmäßig in einer Art und Weise an die große Glocke, die dir

Weitere Kostenlose Bücher