Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten
wie die ausgetrocknete Erde?‹
Da fürchtete sich N!uka sehr, denn was die alte Hyäne gesagt hatte, stimmte alles. Sie fing an zu weinen und jammerte: ›Hier also bin ich jetzt am Ende, hier, wo niemand mein Freund und meine Familie weit weg ist.‹ Sie hörte, wie die alte Hyäne unten vor sich hin sang und sich darauf einrichtete zu warten.
Da sagte eine Stimme zu ihr: ›Was machst du hier auf unserem Felsen?‹ Jemand kam von der Spitze des Felsens herunter, und es war einer der Leute, die auf den Fersen sitzen. Vor alter Zeit hatten die Leute meiner Sippe mit den Pavianen im Krieg gelegen, deshalb hatte N!uka Angst.
›Tut mir nichts‹, sagte sie. ›Die alte Hyäne hat mich hierhergetrieben. Sie hat meinen Mann getötet, und jetzt wartet sie drunten, um mich und mein Kind zu töten.‹
Der Fremde sah sie an, und was sie sagte, machte ihn böse. ›Warum sagst du so etwas zu uns? Warum bittest du uns, dir nichts zu tun? Haben wir dich jemals bedroht?‹
N!uka senkte den Kopf. ›Dein Volk und mein Volk waren einmal Feinde. Ihr habt gegen den Großvater Mantis Krieg geführt. Und ich habe euch niemals Freundschaft angeboten.‹
›Daß du kein Freund bist, macht dich noch nicht zum Feind‹, sprach der Pavian, ›und die Hyäne dort unten ist unser beider Feind. Komm mit zur Spitze des Felsens, wo die übrigen von meinen Leuten sind.‹
N!uka kletterte hinter ihm her. Als sie oben angekommen war, sah sie, daß alle Paviane einen Kopfputz aus Honigdachshaaren und Straußenfedern aufhatten, denn sie feierten gerade ein Fest. Sie gaben ihr und ihrem Kind zu essen, und als alle satt waren, richtete einer der ältesten und weisesten von den Leuten, die auf den Fersen sitzen, das Wort an sie. ›Jetzt müssen wir miteinander reden‹, sprach er, ›und uns überlegen, was wir wegen der alten Hyäne unternehmen, denn so wie du sitzen auch wir auf diesem Felsen fest, und jetzt haben wir alles Eßbare verzehrt und alles Wasser getrunken.‹
Lange redeten und redeten sie, und die Hyäne unten wurde ungeduldig und rief zu ihnen hinauf: ›Ich rieche die Leute, die auf den Fersen sitzen, und auch sie werde ich packen und werde ihre Knochen in meinem Maul zermalmen. Kommt herab und gebt mir den Kleinsten und Zartesten von euch, dann werde ich die übrigen gehen lassen.‹ Der alte Pavian wandte sich an N!uka und sprach: ›Es gibt eine rote Flamme, die dein Volk hervorrufen kann. Rufe sie jetzt hervor, denn wenn du das kannst, können wir vielleicht etwas tun.‹ N!uka holte ihre Feuerhölzer hervor und kauerte sich nieder, damit der Wind den Funken nicht wegblies, und als sie die roten Flammen entzündet hatte, nahmen sie und die Paviane einen Steinbrocken von dem großen Felsen und legten ihn in das Feuer. Als er heiß war, wickelte N!uka ihn in ein Stück Fell ein, das der alte Pavian ihr gab, und damit trat sie an den Rand des Felsens und rief zu der alten Hyäne hinunter.
›Ich werde dir mein Kind hinunterwerfen, weil ich Hunger und Durst habe und der Felsen kahl ist.‹
›Gut, wirf es herunter‹, sagte die Hyäne. ›Ich habe auch Hunger.‹
N!uka beugte sich vor und warf den heißen Stein hinunter. Die alte Hyäne stürzte sich darauf und verschlang ihn ganz mitsamt dem Fell. Als der Stein in ihrem Bauch war, brannte er furchtbar, und sie rief die Wolken an und bat sie, es regnen zu lassen, doch es regnete nicht. Sie wälzte sich auf dem Boden und versuchte, ihn wieder hinauszuwürgen, aber während sie das tat, kamen N!uka und die Paviane vom Felsen herunter, hoben Steine auf und erschlugen die Hyäne damit.
N!uka bedankte sich bei den Leuten, die auf den Fersen sitzen, und deren Ältester sprach zu ihr: ›Denke immer daran, daß wir deine Freunde waren, als der größere Feind uns beide bedrohte.‹ Das schwor sie ihm, und von dem Tage an sagen wir in meiner Familie, wenn uns Gefahr oder Verwirrung heimsucht: ›Ich wünschte, es wären Paviane auf diesem Felsen.‹«
Renie hatte kaum noch Zeit, sich an der Haltestelle Pinetown von !Xabbu zu verabschieden, denn ihre Linie wollte gerade losfahren. Als der Bus die Rampe hinunterrollte und in den hektischen Berufsverkehr einscherte, sah sie den kleinen Mann unter der Überdachung stehen und den Fahrplan studieren. Wieder kamen ihr heftige Schuldgefühle.
Er glaubt, daß Paviane kommen und ihm helfen. Gütiger Himmel, in was habe ich ihn da reingezogen?
Aber in was war sie selber reingeraten? Offenbar hatte sie sich sehr mächtige Feinde
Weitere Kostenlose Bücher