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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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erklärte Renie. »Sie meinte, es wäre wichtig.«
    Bereits in Gedanken beim nächsten Problem runzelte er abermals die Stirn und schlurfte hinaus.
    Renie borgte sich einen Stuhl von einem der anderen Betten. Der Patient darin, ein völlig ausgemergelter junger Mann, wurde blinzelnd wach und beobachtete sie mit dem Blick eines eingesperrten Tieres, aber sagte nichts und rührte sich nicht. Sie trat ans Bett zurück, setzte sich für ihre Nachtwache in eine bequeme Position und hielt Susans weniger dick verbundene Hand.
    Sie war in einen Halbschlaf gesunken, als sie einen Druck an den Fingern spürte. Sie setzte sich auf. Doktor Van Bleecks Augen waren offen und flohen hin und her, als ob sie von huschenden Schatten umgeben wäre.
    »Ich bin’s, Renie.« Sie drückte sanft zu. »Irene. Jeremiah ist auch hier.«
    Susan starrte sie einen Moment an, dann entspannte sie sich. Ihr Mund war offen, aber hinter dem Schlauch kam nichts heraus als ein trockenes Geräusch wie von einer leeren Papiertüte, die über eine Straße geweht wird. Renie stand auf, um Wasser zu holen, aber Dako, der neben ihr kniete, deutete auf das Schild »Keine orale Nahrungsaufnahme«, das am Bettständer hing. »Sie haben ihr den Kiefer gedrahtet.«
    »Du brauchst sowieso nicht zu reden«, sagte Renie zu ihr. »Wir bleiben einfach hier bei dir.«
    »Ach, Großmütterchen.« Jeremiah preßte die Stirn auf den Arm voller Schläuche. »Ich hätte da sein sollen. Wie konnte ich das geschehen lassen?«
    Susan löste ihre Hand aus Renies Griff und hob sie langsam hoch, bis sie Dakos Gesicht berühren konnte. Tränen liefen ihm über die Wangen und in ihre Binden. Dann legte sie langsam und behutsam ihre Hand wieder in Renies.
    »Kannst du Fragen beantworten?«
    Ein Druck.
    »Zweimal drücken heißt nein, okay?«
    Wieder ein Druck.
    »Jeremiah sagt, du wolltest mich sehen.«
    Ja.
    »Wegen der Sache, über die wir geredet haben? Der Stadt?«
    Ja.
    Renie kam der Gedanke, es könnte vielleicht ein Mißverständnis sein, da das Zudrücken immer nur einmal erfolgte. Susans Gesicht war so geschwollen, daß man nicht einmal ihren Ausdruck sicher deuten konnte; nur ihre Augen bewegten sich.
    »Willst du, daß ich nach Hause gehe und dich schlafen lasse?«
    Zweimal der Druck, recht fest. Nein.
    »Okay, dann laß mich überlegen. Hast du die Stadt auf dem Bild gefunden?«
    Nein.
    »Aber du hast etwas darüber rausgefunden.«
    Ein leichteres und längeres Drücken.
    »Vielleicht?«
    Ja.
    Renie zögerte. »Die Männer, die dich verletzt haben … hatten die etwas damit zu tun? Worüber wir geredet haben?«
    Wieder ein langer, langsamer Druck. Vielleicht.
    »Ich versuche, mir Ja-nein-Fragen auszudenken. Das ist wirklich schwierig. Meinst du, du könntest schreiben oder tippen?«
    Eine lange Pause, dann ein zweimaliges Drücken.
    »Gibt es jemand, mit dem ich reden sollte? Jemand, der dir Informationen gegeben hat und der mir dieselben Informationen geben könnte?«
    Nein. Dann, einen Augenblick später, ein erneuter Druck. Ja.
    Renie nannte rasch die Namen sämtlicher Kollegen von Susan, an die sie sich erinnern konnte, aber erhielt zu allen eine negative Reaktion. Sie ging diverse Polizeiressorts und Netzwerkstellen durch, aber ebenso erfolglos. Verzweifelnd malte sie sich aus, wie viel Zeit ein Ausscheidungsvorgang rein mittels eines manuellen Binärverfahrens beanspruchen würde, als Susan auf einmal ihre Hand weiter in Renies hineinschob und sie umdrehte, so daß alle ihre Finger auf Renies Handfläche lagen. Sie bewegten sich sporadisch wie die Beine eines sterbenden Falters. Renie faßte die Hand der alten Frau, um sie irgendwie zu trösten. Susan zischte sie an.
    »Was?«
    Die Professorin bewegte wieder mühsam ihre Finger in Renies Hand. Während das Drücken mit der ganzen Hand leicht zu verstehen gewesen war, waren diese Bewegungen so schwach und so krampfartig, daß sie völlig unkontrolliert wirkten. Renie wußte nicht mehr weiter. »Das ist furchtbar. Es muß etwas Besseres geben – tippen, Zettel schreiben.«
    »Sie kann nicht tippen«, sagte Jeremiah kummervoll. »Schon vorhin nicht, als sie noch reden konnte. Ich hab’s versucht. Ich habe ihr ihr Pad gegeben, als sie sagte, ich soll dich anrufen, aber sie konnte die Squeezertasten nicht fest genug drücken.«
    Susan stupste abermals schwach gegen Renies Handfläche, und ihre Augen funkelten in dem entstellten rotvioletten Gesicht. Renie riß die Augen auf.
    »Das ist es! Das macht sie! Sie

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