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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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hinweg an. Sie hatte sich Sorgen um ihn gemacht, sogar Angst ausgestanden, aber jetzt verdrängte die Wut alle anderen Gefühle. Erst hatte er ihr einen Haufen Umstände gemacht, und dann hatte er auch noch eine Stunde länger von Eddies Wohnblock nach Hause gebraucht als sie von der TH und sie gezwungen zu warten.
    »Es ist mir egal, ob es alle machen, Stephen, und überhaupt bezweifele ich sehr, daß das stimmt. Ich bin gründlich verätzt! Du bist illegal in den Distrikt eingedrungen, und wenn sie dich erwischen, können wir das Bußgeld nie im Leben aufbringen. Und wenn meine Chefin spitzkriegt, wie ich dich da rausbugsiert habe, kann es sein, daß ich fliege.« Sie nahm seine Hand und drückte sie, bis er vor Schmerz das Gesicht verzog. »Ich könnte meinen Job loswerden, Stephen!«
    »Still da drüben, dumme Kinder!« rief ihr Vater aus dem hinteren Zimmer. »Da kriegt man ja Kopfweh von.«
    Wenn keine Tür zwischen ihnen gewesen wäre, hätte Renies Blick Long Josephs Laken in Brand stecken können.
    »Tut mir leid, Renie. Tut mir echt leid. Echt. Kann ich Soki nochmal probieren?« Ohne die Erlaubnis abzuwarten, drehte er sich zum Wandbildschirm um und gab den Anrufbefehl. Bei Soki meldete sich niemand.
    Renie bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Was war das für eine Geschichte, daß Soki in ein Loch gefallen ist?«
    Stephen trommelte mit den Fingern nervös auf dem Tisch herum. »Eddie hat ihn getriezt.«
    »Wozu getriezt? Verdammt nochmal, Stephen, laß dir doch nicht jedes Wort aus der Nase rausziehen.«
    »Es gibt da so ein Zimmer in Mister J’s. Ein paar Jungs aus der Schule haben uns davon erzählt. Sie haben … na ja, da sind Sachen drin, die sind echt chizz.«
    »Sachen? Was für Sachen?«
    »So … Sachen halt. Zum Angucken.« Stephen wich ihrem Blick aus. »Aber wir haben sie nicht gesehen, Renie. Wir haben das Zimmer gar nicht gefunden. Der Club ist drinnen megariesig – du würdest es nicht für möglich halten. Ewig groß!« Einen Moment lang funkelten seine Augen, als er über die Erinnerung an die Herrlichkeiten in Mister J’s völlig vergaß, daß er in ernsten Schwierigkeiten steckte. Ein Blick auf das Gesicht seiner Schwester erinnerte ihn wieder daran. »Na, egal, wir haben jedenfalls gesucht und gesucht und Leute gefragt – ich denke, die meisten waren Bürger, aber ein paar von denen haben sich echt komisch benommen –, aber niemand konnte uns was sagen. Irgendwann meinte einer, so ein trans megafetter Typ, man käme durch ein Zimmer unten im Keller rein.«
    Renie unterdrückte ein angewidertes Schaudern. »Bevor du weitererzählst, junger Mann, möchte ich eins klarstellen. Du wirst nie wieder dort hingehen. Ist das klar? Schau mir in die Augen. Nie wieder!«
    Widerwillig nickte Stephen. »Okay, okay. Ich laß es. Wir sind also diese ganzen wendligen Treppen runter – es war wie in einem Verliesspiel! –, und nach einer Weile sind wir an diese Tür gekommen. Soki hat sie aufgemacht und ist… reingefallen.«
    »Wo reingefallen?«
    »Keine Ahnung! Es war einfach wie ein großes Loch auf der andern Seite. Ganz tief unten war Rauch und so blaues Licht.«
    Renie setzte sich auf ihrem Stuhl zurück. »Jemand hat euch einen gemeinen, sadistischen kleinen Streich gespielt. Das geschieht euch ganz recht, ich hoffe bloß, Soki hat keinen zu großen Schreck gekriegt. Hat er auch SchulNetz-Geräte schwarz benutzt wie ihr beide?«
    »Nein. Einfach seine Heimanlage. Ein billiges nigerianisches Teil.«
    Genau das, was ihre Familie auch hatte. Wie konnten Kids arm sein und trotzdem so verdammt snobistisch?
    »Na ja, dann wird es mit der Schwindel- oder Fallsimulation nicht so weit her sein. Es wird ihm schon nichts passiert sein.« Sie blickte Stephen mit schmalen Augen an. »Du hast mich verstanden, ja? Du wirst nie wieder dorthin gehen, oder mit den Computerspielereien und den Besuchen bei Eddie und Soki ist es ein für allemal vorbei – und nicht bloß für den Rest des Monats.«
    »Was?« Stephen sprang empört in die Höhe. »Kein Netz?«
    »Bis zum Monatsende. Du kannst dankbar sein, daß ich Papa nichts erzählt habe – sonst würde er dir deinen bockigen schwarzen Hintern mit dem Riemen versohlen.«
    »Das wär mir noch lieber als kein Netz«, sagte er mürrisch.
    »Du würdest beides kriegen.«
    Nachdem sie den maulenden und jammernden Stephen auf sein Zimmer geschickt hatte, begab sich Renie in ihre Mediathek am Arbeitsplatz – nicht ohne sich vorher zu vergewissern, daß ihre Inbox

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