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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Häckerweg als studentisches Netgirl, aber zweimal auch als rechtmäßiger Gast von jemand anders –, hatte sie sich mit Wonne einfach alles angeschaut. Der Innere Distrikt war ja auch einzigartig: die erste wirkliche Weltstadt, deren Einwohnerschaft (auch wenn sie simuliert war) aus den etwa zehn Millionen einflußreichsten Bürgern des Planeten Erde bestand … oder wenigstens glaubte das die Klientel des Distrikts, und sie gab sich große Mühe, diesem Anspruch gerecht zu werden.
    Die Dinge, die sie sich schufen, waren großartig. An einem Ort ohne Schwerkraft oder auch nur die Notwendigkeit normaler geometrischer Formen und mit überaus flexiblen Zonenaufteilungen in den Privatsektoren hatte das menschliche schöpferische Genie die spektakulärsten Blüten getrieben. Konstruktionen, die in der wirklichen Welt Gebäude und damit irdischen Gesetzmäßigkeiten unterworfen gewesen wären, brauchten hier auf solche irrelevanten Gesichtspunkte wie oben und unten und das Verhältnis von Größe zu Gewicht keine Rücksicht nehmen. Sie mußten nur als Netzknoten dienen, und deshalb konnte es sein, daß die abenteuerlichsten Kunststücke des Computerdesigns, wild und bunt wie Dschungelblüten, über Nacht aus dem Boden sprossen und genauso schnell wieder verschwanden. Selbst jetzt hielt sie einen Moment an, um einen unmöglich dünnen, durchsichtigen grünen Wolkenkratzer zu bewundern, der hinter den Bögen hoch in den Himmel stach. Sie fand ihn wunderschön und ungewöhnlich maßvoll, eine Stricknadel aus feinster Jade.
    Wenn die Dinge, die sich diese Bewohner des innersten Kreises der Menschheit schufen, spektakulär waren, so waren die Dinge, die sie aus sich selbst machten, das nicht minder. An einem Ort, dessen einzige absolute Bedingung war, daß man existierte, und wo nur die Finanzen, der Geschmack und der normale Anstand der Phantasie Grenzen setzten (und manche Stammkunden im Distrikt waren notorisch gut mit Nummer eins und schlecht mit den beiden anderen ausgestattet), gaben allein schon die Passanten, die auf den Hauptverkehrsadern herumflanierten, ein endloses und endlos abwechslungsreiches Schauspiel ab. Von den Extremen der aktuellen Mode (langgezogene Köpfe und Gliedmaßen schienen im Moment in zu sein) bis zur Nachbildung realer Dinge und Personen (auf ihrem ersten Ausflug in den Distrikt hatte Renie drei verschiedene Hitler gesehen, einer davon in einem Ballkleid aus blauen Orchideen) und noch weiter bis in die Sphären des Designs, wo die Ausstattung mit einem Körper nur einen Ausgangspunkt darstellte, war der Distrikt eine einzige Nonstop-Parade. In der Anfangszeit hatten Touristen, die sich den Zugang als Teil ihres Urlaubspakets erkauft hatten, oft stundenlang gaffend in Straßencafés gesessen, bis es ihnen wie den allerjüngsten Netboys ging und ihre wirklichen fleischlichen Körper vor Hunger und Durst umfielen und ihre Simulationen erstarrten oder ausgingen. Der Grund war leicht zu verstehen. Es gab immer noch etwas zu sehen, immer erschien schon die nächste phantastische Kuriosität in der Ferne.
    Aber heute war sie nur zu einem einzigen Zweck hier: um Stephen zu finden. Dabei belastete sie das Konto der TH mit Gebühren, und sie hatte sich jetzt den Zorn des widerlichen kleinen Kerls am Gateway zugezogen. Daher programmierte sie die Sendung für Rektorin Bundazi auf Eintrittszeit plus 19 Minuten, denn sie wußte, daß der Herr »Bürger« nachprüfen würde. Die Sendung war in Wirklichkeit eine belanglose Lieferung an den Fachbereich mit der Rektorin als Adressatin. Sie hatte den Lieferschein mit einer Nachricht vertauscht, die tatsächlich persönlich an einen von Frau Bundazis anderen Knoten zugestellt werden sollte, und sie hoffte, man würde die Schuld an der daraus entstehenden Verwirrung der Poststelle zuschieben, einem seit zwei Jahrzehnten überholten E-mail-System, dem man auf jeden Fall gar nicht genug Schuld zuschieben konnte. Der Versuch, eine Mitteilung durch das interne Nachrichtensystem der TH zu schicken, war so, als wollte man Butter durch einen Stein drücken.
    Nach einer kurzen Überprüfung von Stephens letzten Sendekoordinaten sprang Renie in die Lullaby Lane, die Hauptverkehrsader von Toytown, einem leicht angestaubten Sektor, der die kleineren und weniger erfolgreichen kreativen Firmen und Händler ebenso wie die Privatknoten derjenigen beherbergte, die ihren Einwohnerstatus im Inneren Distrikt nur noch mit Ach und Krach halten konnten. Die Grundgebühren für das

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