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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Lächeln: Es war, als würde man mit einer Vogelscheuche umherziehen. Andererseits sah sie selbst sicher auch nicht ansprechender aus. »Das entspricht der Wahrheit«, sagte er. »Ich weiß wirklich nicht, wo der Elektronikdistrikt ist.«
    »Eben. Siehst du, du hast in den letzten paar Wochen viel Zeit damit verbracht zu lernen, wie du dich mit der elementaren Computertechnik zurechtfindest. Der einzige Unterschied hier ist der, daß du im Computer drin bist – oder jedenfalls kommt es einem so vor.«
    »Es fällt mir schwer, daran zu denken, daß ich einen wirklichen Körper habe und daß er sich zur Zeit in der Technischen Hochschule befindet – daß ich immernoch in der Hochschule bin.«
    »Das ist die Zauberei.« Sie ließ ihre Stimme lächelnd klingen, da sie mit ihrem Gesicht nicht viel ausdrücken konnte. »So, und nun such.«
    !Xabbu bewegte langsam die Finger. Eine leuchtende blaue Kugel erschien vor ihm.
    »Gut.« Renie trat einen Schritt näher. »Niemand als du und ich kann diese Kugel sehen – sie ist ein Bestandteil unserer Interaktion mit unserm Computer in der TH. Aber wir werden unsern Computer benutzen, um auf das Branchenverzeichnis der Mall zuzugreifen.« Sie zeigte ihm das Verfahren. »Hol jetzt die Liste herbei. Du kannst auch mit der Stimme Befehle geben, entweder offline, so daß niemand außer dir sie hört, oder online. Wenn du hier in der Mall mal drauf achtest, wirst du einen Haufen Leute sehen, die mit sich selbst reden. Kann sein, daß sie einfach verrückt sind – das sind mehr als nur ein paar –, aber sie könnten auch mit ihren eigenen Systemen reden, ohne dabei auf Privatheit zu achten.«
    Die Kugel spuckte eine Liste von Branchen aus, die in Form von Zeilen feurig blauer Buchstaben im Raum schwebte. Renie stellte die Liste auf sonnenuntergangsrot, was vor dem Hintergrund besser lesbar war, und deutete dann auf die Einträge unter Elektronik. »Da haben wir’s. ›Personal Access Devices‹. Klick es an.«
    Die Welt veränderte sich augenblicklich. Die weiten Räume des öffentlichen Mallbereichs wurden von einer langen, breiten Straße abgelöst. Die simulierten Gebäude auf beiden Seiten ragten hoch in den falschen Himmel, jedes mit einem Tumult von Farben und Bewegungen auf den Außendisplays, die so bunt und konkurrenzfreudig waren wie tropische Blüten. Und wir sind die Bienen, dachte sie bei sich, die überall Kreditpollen hintragen. Herzlich willkommen im Informationsdschungel. Die Metapher gefiel ihr ganz gut. Vielleicht konnte sie sie in einer ihrer Vorlesungen verwenden.
    »So«, sagte sie laut. »Wenn du im Branchenverzeichnis einen bestimmten Laden gefunden hättest, hätten wir uns direkt dort hinbeamen können.«
    »Beamen?« !Xabbu hatte seinen Kopf weit in den simulierten Nacken zurückgelegt. Die Haltung erinnerte sie daran, wie sehr sie bei ihren ersten Spaziergängen im Netz über die Displays gestaunt hatte.
    »Das war mal ein alter Science-Fiction-Ausdruck, glaube ich. Eine Art Netzwitz. Das soll bloß heißen, daß man sich direkt irgendwo hinbegibt statt lang und umständlich auf dem RL-Weg. RL steht für ›Reales Leben‹, weißt du noch?«
    »Mmmmm.« !Xabbu wirkte sehr still und verschlossen. Renie fragte sich, ob es für den ersten Besuch reichte – es war schwer zu sagen, wie ein Erwachsenengehirn mit all dem fertig wurde. Alle Leute, die sie kannte, hatten mit dem Netzsurfen schon als Kinder angefangen.
    »Möchtest du, daß wir mit unserm simulierten Einkaufsbummel weitermachen?«
    !Xabbu drehte sich um. »Selbstverständlich. Bitte. Das ist alles so … erstaunlich.«
    Sie lächelte still vor sich hin. »Gut. Also, wie gesagt, wenn wir in einen bestimmten Laden gewollt hätten, hätten wir uns direkt hinbeamen können. Jetzt stöbern wir ein wenig herum.«
    Für Renie war das schon so lange beruflicher Alltag, daß der Reiz der vielen Möglichkeiten einigermaßen schal geworden war. Wie ihr kleiner Bruder hatte sie das Netz ungefähr zur gleichen Zeit entdeckt wie die wirkliche Welt und lange vor dem Jugendalter gelernt, sich in dem einen wie in der anderen zu bewegen. Stephen hatte immer noch Interesse am Netz an sich, aber Renie war längst über das Stadium des Staunens hinaus. Nicht einmal Einkaufen machte ihr mehr Spaß, und am liebsten war es ihr, sie hatte irgendwo ein laufendes Konto und konnte einfach nachbestellen.
    !Xabbu jedoch war in diesen virtuellen Bereichen ein Kind – aber ein großes Kind, rief sie sich in Erinnerung, mit

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