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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Verkaufskraft als schwarze Frau erschien, oder ob man sie speziell auf ihren persönlichen Netzindex zugeschnitten hatte.
    Wenige Minuten später standen sie wieder draußen auf der simulierten Straße.
    »Nur zur Information«, sagte sie. »Es ist nicht gerade höflich, sich zu erkundigen, ob jemand ein Bürger ist oder nicht. Aber sofern du nicht eigens einen lebendigen Menschen verlangst, werden die meisten Bedienungen in den Läden Reps sein.«
    »Aber ich dachte, du hättest gesagt, daß es gesetzlich vorgeschrieben ist…«
    »Es ist gesetzlich vorgeschrieben. Aber es ist ein wenig heikel und verlangt einen gewissen Takt. Wenn du mit einem Bürger sprichst und ihm diese Frage stellst, gibst du damit zu verstehen, daß er… nun ja, so langweilig oder so mechanisch ist, daß er künstlich sein könnte.«
    »Aha. Also sollte man das nur dann fragen, wenn man sich einigermaßen sicher ist, daß die betreffende Person ein Replikant ist.«
    »Oder wenn man es wirklich unbedingt wissen muß.«
    »Und was gäbe es da für zwingende Gründe?«
    Renie grinste. »Ein Grund wäre, daß du dich in eine Person verliebst, die du hier kennenlernst. Komm, wir suchen uns einen Ort, wo wir uns hinsetzen können.«
     
    !Xabbu seufzte und streckte sich. Sein grauer Sim hatte in sich zusammengesunken auf dem Stuhl gesessen.
    »Es gibt noch so viel, was ich nicht verstehe. Wir sind immer noch auf… in … der Mall, nicht wahr?«
    »Ja. Dies ist einer ihrer großen öffentlichen Plätze.«
    »Und wozu soll diese Lokalität gut sein? Wir können nicht essen, wir können nicht trinken.«
    »Zunächst einmal können wir uns ausruhen. VR kann ähnlich wirken wie langes Autofahren. Man macht nicht viel, aber müde wird man trotzdem.«
    Wie Blut immer rot und flüssig ist, ganz gleich durch welche Arterie es strömt, so schien auch die Menge auf den betriebsamen Straßen in ihrer Buntgemischtheit allen anderen Mengen in der Lambda Mall zu gleichen. Diejenigen unter den Mallbesuchern, die am Café Boulle vorbeischwebten, -gingen oder -krochen, schienen sich in nichts von denen zu unterscheiden, die Renie und !Xabbu bei ihrem ersten Eintritt in den Geschäftssektor oder in die Straßen des Elektronikdistrikts gesehen hatten. Die einfachsten Sims, an denen man gewöhnlich die unerfahrenen Besucher erkannte, blieben häufig stehen und verdrehten die Hälse. Andere, detaillierter ausgeführte Sims waren schrill und bunt aufgetakelt wie für eine Party und zogen in Gruppen herum. Und einige hätten sich in den schicksten Sektoren des Inneren Distrikts sehen lassen können, perfekt gestaltete Sims wie stattliche junge Götter, nach denen sich überall, wo sie vorbeikamen, die virtuellen Köpfe umdrehten.
    »Aber wieso ist es ein Café? Warum kein Rasthaus oder etwas in der Art?«
    Renie wandte sich wieder !Xabbu zu. Seine hängenden Schultern deuteten auf Erschöpfung hin. Sie mußte ihn bald von der Strippe nehmen. Man vergaß leicht, was für eine überwältigende sinnliche Erfahrung der erste Besuch im Netz sein konnte. »Weil ›Café‹ sich netter anhört. Nein, ich mache Spaß. Einmal ist es so, daß wir, wenn wir die entsprechende Ausrüstung hätten, durchaus hier essen und trinken könnten – oder uns wenigstens das Gefühl verschaffen könnten. Wenn wir die Implantate hätten, die manche reichen Leute haben, könnten wir Dinge schmecken, die wir in der wirklichen Welt noch nie geschmeckt haben. Aber selbst in einem wirklichen Café gibt es mehr als bloß Essen und Trinken.« Sie machte eine Geste, und die sanften Klänge eines Poulenc-Streichquartetts umsäuselten sie; der Straßenlärm sank auf ein leises Hintergrundsgemurmel ab. »Im Prinzip mieten wir uns einen Platz, wo wir sein können – wo wir einfach bleiben und nachdenken und reden und die Passanten bestaunen können, ohne eine öffentliche Durchgangsstraße zu blockieren. Und anders als in einem wirklichen Restaurant bezahlt man seinen Tisch, und von dem Moment an steht immer der Kellner für einen bereit, aber kommt nur, wenn man ihn ruft.«
    !Xabbu lehnte sich zurück. »Ein Bier wäre wunderbar.«
    »Wenn wir offline gehen, ich versprech’s. Zur Feier deines ersten Tages im Netz.«
    Ihr Begleiter sah eine Zeitlang dem Straßentreiben zu, dann drehte er sich um und nahm das Café Boulle selbst in Augenschein. Die gestreiften Markisen flatterten, obwohl kein Wind ging. Kellner und Kellnerinnen in sauberen weißen Schürzen schritten zwischen den Tischen hindurch und

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