Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten
ablenkender für potentielle Kunden wäre es zu zeigen, was vor der Fassade in der Lambda Mall vor sich geht. Deshalb innen keine Fenster.«
»Und Leute auch keine. Geht dieser Laden denn so schlecht?«
»Alles ist so, wie man’s haben will. Ich habe die vorgegebene Einstellung nicht geändert, als wir hier reingekommen sind. Wenn du dich noch an die Computerbegriffe von letzter Woche erinnern kannst, ist die vorgegebene Einstellung…«
»… die Einstellung, die man bekommt, sofern man keine andere angibt.«
»Genau. Und in so einem Laden ist die Vorgabe in der Regel ›allein mit der Ware‹. Wenn wir wollen, können wir alle Kunden sehen, die sich sehen lassen wollen.« Sie machte eine Geste, und einen Augenblick lang wurde ein halbes Dutzend Sims sichtbar, über diese oder jene Säule gebeugt. »Und wenn wir wollen, können wir sofort eine Bedienung bei uns haben. Oder wenn wir uns lange genug umschauen, wird irgendwann eine auftauchen, um uns zu einer Entscheidung zu verhelfen.«
!Xabbu begab sich zu dem am nächsten stehenden sanft schimmernden Gerät. »Und dies sind Darstellungen der Produkte, die dieses Unternehmen verkauft?«
»Einiger davon. Wir können auch die Auswahl ändern oder nur die Sachen zu Gesicht bekommen, die uns interessieren. Wir können sogar den Ausstellungsraum ausblenden und sie uns nur als Text betrachten, mit Beschreibungen und Preisen. Ich muß gestehen, daß ich das meistens so mache.«
!Xabbu kicherte. »Wer neben dem Wasserloch lebt, träumt nicht von Durst.«
»Wieder ein Sprichwort deines Volkes?«
»Eines von meinem Vater.« Er streckte seine plumpen Finger nach einem der Pads aus, einem dünnen Rechteck, das so klein war, daß es in eine simulierte Hand paßte. »Darf ich das in die Hand nehmen?«
»Ja, aber es wird sich nur so realistisch anfühlen, wie deine Ausstattung das zuläßt. Ich fürchte, unsere Sims sind ziemlich simpel.«
!Xabbu drehte es in den Händen. »Ich kann das Gewicht fühlen. Ziemlich beeindruckend. Und sieh doch, die Spiegelung auf dem Bildschirm! Aber ich nehme an, es ist nicht realer als das Wasser, das du an meinem ersten Tag in einer Simulation erzeugtest.«
»Na ja, in das hier hat jemand mehr Arbeit investiert als ich in meine Pfütze.«
»Guten Tag, Bürger.« Eine attraktive schwarze Frau, ein paar Jahre jünger als Renie, erschien neben ihnen. !Xabbu zuckte schuldbewußt zusammen, und sie lächelte. »Interessiert ihr euch für Persönliche Zugangsgeräte?«
»Wir wollten uns nur mal umschauen, vielen Dank.« Renie betrachtete die perfekte, frisch gebügelte Falte in der Hose der Frau und ihre makellosen weißen Zähne. »Mein Freund …«
»Bist du ein Bürger oder ein Replikant?« fragte !Xabbu .
Die Frau wandte sich ihm zu. »Ich bin ein Konstrukt vom Typ E«, sagte sie mit einer Stimme, die noch genauso herzlich und gewinnend war wie bei ihrer Begrüßung, »und spreche auf alle UN-Codes für Verkaufsberatung an. Wenn du von einem Bürger bedient werden möchtest, rufe ich dir gern einen. Wenn du mit meiner Beratung unzufrieden bist, sag bitte Bescheid, und du wirst weitergeleitet…«
»Nein, nein«, unterbrach Renie. »Davon kann keine Rede sein. Mein Freund ist zum erstenmal in der Lambda Mall und war einfach neugierig.«
Das Lächeln war immer noch da, obwohl es Renie so vorkam, als wäre es ein wenig steifer als vorher. Aber das war albern – wieso sollte man einem Rep verletzte Gefühlen einprogrammieren? »Es freut mich, daß ich deine Frage beantworten konnte. Gibt es sonst noch etwas, was ich euch über dieses oder eines der anderen hochwertigen Produkte von Krittapong Electronics erzählen kann?«
Aus einem diffusen Schuldgefühl heraus bat sie die Verkäuferin – den Verkaufs replikanten, sagte sie sich, nichts weiter als ein Stück Code –, ihnen das Pad vorzuführen.
»Das Freehand ist das Neueste, was an portablen Zugangsdateneinheiten auf dem Markt ist«, begann der Replikant, »mit der technisch ausgereiftesten Spracherkennung von allen Pads in seiner Preisklasse. Es bietet euch die Möglichkeit, Hunderte von unterschiedlichen täglichen Verrichtungen vorzuprogrammieren, ferner einen ausgeklügelten Anruffilterservice und eine Unmenge weiterer Extras, die Krittapong zum führenden Unternehmen Asiens auf dem Gebiet von Datenbearbeitungsprodukten für den Heimgebrauch gemacht haben …«
Während der Replikant !Xabbu die Spracherkennungstechnik beschrieb, überlegte Renie, ob es Zufall war, daß diese
Weitere Kostenlose Bücher