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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ausgestreckt, dein Kampfhandschuh strahlbereit, und ein Gedankenblitz reicht aus, um den Eindringling mit einem horizontalen Feuerstrich zu durchbohren. Aber das Ding ist schnell – entsetzlich schnell. Der Laser reißt abermals ein Teil vom Wrack des ersten Expeditionsschiffes ab, aber das Ding, das davor gekauert hatte, ist weg, wieder im Nebel verschwunden wie ein böser Traum.
    Deine Anzugsensoren schlagen plötzlich Alarm. Hinter dir – ein halbes Dutzend springender Gestalten. Idiot! Du verfluchst dich für deine Unachtsamkeit, noch während du herumfährst und ein blendendes Feuerliniengewirr ausspuckst. Der älteste Trick der Welt! Diese Biester jagen schließlich in Rudeln. Bei aller Ähnlichkeit mit irdischen Krustentieren sind diese Kreaturen grauenhaft schlau.
    Zwei der Biester fallen um, aber eines steht wieder auf und schleift sich in Deckung; ein Bein hat weniger Gelenke als vorher. Beleuchtet vom remanenten Feuer deiner Schüsse wirft es dir im Fliehen einen Blick zu, und du bildest dir ein, eine aktive Bösartigkeit in den seltsamen feuchten Augen erkennen zu können …
     
    Bösartige Riesenkrebse! Orlandos Stilgefühl revoltierte. Das war das letzte Mal, daß er dem Urteil des Bartenders im Living End geglaubt hatte. Solcher Schund war doch schon seit Jahren passé!
    Aber schließlich hatte er dafür bezahlt – beziehungsweise seine Eltern würden es bezahlen, wenn die monatliche Netzrechnung abgebucht wurde. Da konnte er genauso gut schauen, ob es doch noch besser wurde. Bis jetzt war es ein stinknormaler Haudraufschinken ohne irgend etwas, das seinen ziemlich speziellen Interessen entgegenkam …
     
    An der Umzäunung zuckt ein greller Flammenstoß auf. Dein Herz macht einen Satz – das ist eine menschliche Waffe. Olechow und Pun-yi! Du bestreichst einen fernergelegenen Teil der Umzäunung, um deinen Kameraden Deckung zu geben, aber auch um sie wissen zu lassen, wo du bist. Ein erneuter Flammenstoß, dann bricht eine dunkle Gestalt auf die Lichtung aus und sprintet auf dich zu, verfolgt von drei wackelnden, hopsenden Formen. Du hast keine sehr gute Schußposition, aber es gelingt dir, eine davon umzulegen. Die verfolgte Gestalt wirft sich nach vorn und rollt über den Rand des Grabens, so daß du jetzt freie Bahn zum Schuß auf die nachsetzenden Biester hast. Du verbreiterst den Winkel, opferst Durchschlagskraft für Streubreite, und da hängen sie und zappeln hilflos am Strahl, während die Luft um sie herum sich überhitzt. Du hältst den Strahl fast eine Minute auf sie gerichtet, obwohl es die Batterie schwächt, bis sie in eine Wolke von Kohlenstoffteilchen zerplatzen und vom Wind davongetragen werden. Diese Kreaturen haben etwas, das in dir den Wunsch weckt, sie toter als tot zu schießen.
     
    Was haben sie denn? Versuchen sie etwa, einem die Mitgliedschaft in religiösen Knoten zu verkaufen? Wie böse können sie denn sein?
    Orlando hatte Schwierigkeiten, sich auf die Simulation zu konzentrieren. Er mußte immerzu an Fredericks denken – nein, erkannte er, weniger an Fredericks als an die Lücke, die dort klaffte, wo Fredericks einmal gewesen war. Er hatte früher manchmal gedacht, daß es merkwürdig sei, einen Freund zu haben, den man nie von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte. Jetzt fand er es noch merkwürdiger, einen Freund zu verlieren, den man nie wirklich gehabt hatte.
     
    Olechow kommt im Graben auf dich zugekrochen. Ihr rechter Arm ist zum größten Teil ab; sie hat eine rohe Brandblase aus schwerem Plastik knapp über dem Ellbogen, wo der Anzug die Wundstelle abgedichtet hat. Durch das Visier sieht Olechows Gesicht erschreckend weiß aus. Unwillkürlich mußt du an den Planetenherbst auf Dekkamer Eins denken. Das war eine gute Zeit gewesen, du und Olechow und zehn freie Tage.
    Die Erinnerung ersteht vor dir Olechow, wie sie triefend einem Bergsee entsteigt, nackt, die blassen Brüste wie Schneewehen. Ihr habt euch stundenlang geliebt, mit den Bäumen als einzigen Zeugen, euch gegenseitig immer wieder angestachelt in dem Wissen, daß die Zeit knapp war, daß ein Tag wie dieser wohl niemals wiederkommen würde…
    »Pun-yi … sie haben ihn erwischt«, stöhnt sie. Das Grauen in ihrer Stimme reißt dich in die Gegenwart zurück. Die atmosphärische Verzerrung ist so groß, daß du selbst aus dieser Nähe vor lauter Lärm auf dem Kanal ihre Stimme kaum verstehen kannst. »Entsetzlich…!«
    Dekkamer Eins ist Lichtjahre entfernt, für alle Zeit verloren. Du hast keine

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