Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
das uns packte – ich weiß nicht, wie ich es sonst ausdrücken soll –, als wir in die Simulation eintraten. Es hat den Mann umgebracht, der uns hergebracht hat. Atasco sagt, es sei ein neuronales Netzwerk, aber Singh meinte, es wäre lebendig.«
    Andere am Tisch flüsterten untereinander.
    »Auch darauf weiß ich keine Antwort«, gestand Sellars. »Es gibt ein neuronales Netzwerk im Herzen von Anderland, das ist richtig, aber wie es funktioniert und was unter den Umständen ›lebendig‹ heißen könnte, sind weitere unaufgedeckte Geheimnisse dieses Ortes. Deshalb brauche ich eure Hilfe.«
    »Hilfe? Du brauchst weiß Gott Hilfe.« Sweet William erhob sich mit wippenden Federn und markierte einen ironischen Kratzfuß. »So, ihr Lieben, meine Geduld ist so ziemlich am Ende. Ich darf mich höflich verabschieden. Ich werd mir was Warmes fürs Bettchen suchen und möglichst schnell vergessen, daß ich diesen Quark jemals gehört hab.«
    »Aber das kannst du nicht!« Der breitschultrige, langhaarige Mann mit den filmreifen Muskelpaketen stand wacklig auf. Seine Stimme war tief, aber seine Redeweise paßte nicht recht dazu. »Begreift ihr denn nicht? Begreift ihr denn alle nicht? Das hier … das ist der Rat von Elrond!«
    Der angemalte Mund zog eine Schmollgrimasse. »Was brabbelst du da zusammen?«
    »Kennst du Tolkien nicht? Das ist es, haargenau! Ein Ring, sie zu knechten, ein Ring, sie alle zu finden!« Der Barbar geriet sichtlich in Wallung. Renie, die ihrerseits gerade Sweet William hatte anfahren wollen, schluckte ihren Groll hinunter und sperrte die Augen auf. Die Erregung des Mannes hatte beinahe etwas Verrücktes, und einen Moment lang überlegte Renie, ob er vielleicht geistesgestört war.
    »Ach, ’ne Geschichte von der Sorte«, sagte Sweet William geringschätzig. »Ich hab mich schon gefragt, was es mit diesem Kraftmeierlook auf sich hat.«
    »Du bist Orlando, stimmt’s?« Sellars klang still erfreut. »Oder sollte ich Thargor sagen?«
    Der Barbar stutzte verwundert. »Orlando wär mir lieber. Ich hab mir den Thargorsim nicht ausgesucht – nicht hierfür, meine ich. Ich hatte ihn einfach, als … als wir hier ankamen.«
    »Da hab ich ihn schon mal gesehen!« flüsterte Renie !Xabbu zu. »TreeHouse! Weißt du noch? Das fliegende Frühstück konnte diesen Sim nicht ausstehen.«
    »Es freut mich, daß du hier bist, Orlando.« Sellars war wieder ernst. »Ich hoffe, die anderen werden bald genauso denken wie du.«
    »Scän denkense, sonst gar nix«, sagte der verchromte Goggleboy. »Er cräsht, du cräshst, ich geh ex, basta.« Stachelige Fäuste in stachelige Hüften gestemmt, stand er auf wie ein mürrisches metallenes Stachelschwein.
    Orlando ließ sich nicht entmutigen. »Geh nicht! So läuft das doch immer. Leute, für die’s keine Hoffnung zu geben scheint, aber von denen jeder was zu geben hat. Zusammen lösen sie das Rätsel und bezwingen den Feind.«
    »Eine Horde hoffnungsloser Schwachköpfe, die sich zusammenrotten, um eine scheinbar aussichtslose Aufgabe zu bewältigen, meinst du das?« Sweet William klang ätzend. »Ja, wirklich, das hört sich genau wie ’ne Geschichte nach deinem Geschmack an, Süßer – aber als Beschreibung von ’nem paranoiden Kult wär’s genauso gut. ›O nein! Nur wir wenigen Schlauberger verstehen, daß die Welt vor dem Untergang steht. Aber wenn wir in diese Abflußrohre da kriechen und unsere speziellen Alufolienmützen aufsetzen, werden wir als einzige gerettet werden.‹ Erspart mir bitteschön das Theater. Ich nehme an, jetzt wollt ihr alle der Reihe nach eure bejammernswerten Lebensgeschichten erzählen.« Er legte sich die Hand auf die Stirn, als würde ihn das alles fürchterlich mitnehmen. »Na schön, ihr Herzchen, ihr könnt euer spinniges Teekränzchen ohne mich beenden. Würde jemand bitte diesen Quatsch ausschalten, der mein Befehlsinterface blockiert?«
    Bolívar Atasco straffte sich urplötzlich auf seinem Sitz, dann stand er auf und machte ein paar taumelnde Schritte. Renie dachte, er wäre über den zynischen Sweet William erbost, aber Atasco erstarrte mitten in der Bewegung mit ausgestreckten Händen, als müßte er Balance halten. Ein erwartungsvolles Schweigen trat ein.
    »Er scheint einen Augenblick offline gegangen zu sein«, sagte Sellars. »Vielleicht…«
    Martine fing an zu schreien. Sie hielt sich den Kopf, fiel auf die Knie und heulte wie eine Umweltalarmsirene.
    »Was ist?« rief Renie. »Martine, was ist los?«
    Silviana Atasco war

Weitere Kostenlose Bücher