Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten
Katzenrückengebirge wand. Während er und Pithlit ihre Pferde auf dem schmalen Gebirgspfad aus dem Tal hinauslenkten, dachte Thargor bei sich, daß eine Katze wahrlich schlecht genährt sein mußte, um einen derart knochigen und scharfgratigen Rücken zu haben.
Die wenigen Lebenszeichen und Geräusche, die es unten im Tal noch gegeben hatte, schienen hier oben schon unendlich fern. Der Wald war drückend dicht und still: Ohne den hellen Mondschein, dachte der Krieger, wäre einem zumute wie auf dem Grund eines Brunnens. Er war schon an gefährlicheren Orten gewesen, aber wenige waren so beklemmend schaurig wie dieser Teil des Katzenrückens.
Die Atmosphäre schien auch Pithlit zuzusetzen. »Das ist keine Gegend für einen Dieb«, sagte er. »Wir mögen die Dunkelheit, aber nur zur Tarnung, wenn wir uns an funkelnde Schätze heranschleichen. Und es ist schön, den erbeuteten Reichtum hinterher irgendwo ausgeben und andere Sachen als Moos und Steine damit kaufen zu können.«
Thargor grinste. »Wenn wir Glück haben, kannst du dir eine kleine Stadt zum drin Spielen kaufen, mit allen Spielsachen und hellen Lichtern, die du dir wünschst.«
»Und wenn wir kein Glück haben, werde ich mir zweifellos wünschen, ich dürfte wieder gegen die Wegelagerer antreten, und hätte ich noch so viele Wunden über den Rippen.«
»Zweifellos.«
Sie ritten eine Zeitlang still dahin, begleitet nur von dem Klippklapp der Pferdehufe. Der Steig schlängelte sich bergan, zwischen knorrigen Bäumen und merkwürdig geformten stehenden Steinen hindurch, auf denen der Vollmond schwache Ritzzeichen hervortreten ließ, die meisten davon unergründlich, alle kein erfreulicher Anblick.
»Man sagt, die Alten hätten einst hier gelebt.« Pithlits Stimme klang krampfhaft locker.
»Das sagt man.«
»Vor langer Zeit, versteht sich. Vor Urzeiten. Heute nicht mehr.«
Thargor nickte und verbarg dabei ein dünnes Lächeln über Pithlits nervösen Ton. Von allen Menschen wußten nur Dreyra Jarh und ein paar andere Zauberer mehr über die Alten als Thargor, und keinen fürchteten diese atavistischen Bewohner der Tiefe mehr als ihn. Wenn die der alten Rasse sich hier noch einen Sitz bewahrt hatten, sollten sie sich zeigen. Sie bluteten wie andere Wesen auch – wenn auch träger –, und Thargor hatte bereits ganze Horden ihres Schlags zur Hölle geschickt. Sollten sie doch kommen! Das waren heute nacht seine geringsten Sorgen.
»Hörst du was?« fragte Pithlit. Thargor zügelte sein Streitroß Schwarzwind mit starker Hand. Es war in der Tat ein leiser Ton zu hören, ein fernes pfeifendes Leiern, das so klang wie …
»Musik«, knurrte er. »Vielleicht bekommst du doch noch die Unterhaltung, deren Fehlen du vorhin beklagtest.«
Pithlits Augen waren weit aufgerissen. »Diesen Musikanten möchte ich lieber nicht begegnen.«
»Könnte sein, daß du keine Wahl hast.« Thargor blickte zum Himmel empor, dann wieder auf den schmalen Steig. Die unirdische Musik verklang wieder. »Der Pfad zur Massanek-Kuhle kreuzt hier und führt in diese Richtung.«
Pithlit schluckte. »Ich wußte, ich würde es noch bereuen, mit dir geritten zu sein.«
Thargor lachte leise. »Wenn jene Pfeifer dort das Schlimmste sind, was wir heute nacht zu hören oder zu sehen bekommen, und wir das finden, was wir suchen, wirst du dich verfluchen, daß du überhaupt gezögert hast.«
»Wenn, Krieger. Wenn.«
Thargor lenkte Schwarzwind nach rechts und führte Pithlit den nahezu unsichtbaren Steig hinab in noch düstereren Schatten.
Die Massanek-Kuhle lag unter dem Mond wie ein großes dunkles Tier, eine verrufene Talmulde, auf der die Einsamkeit bleischwer lastete. Selbst die Bäume des Berghangs hörten an ihrem Rand auf, als scheuten sie die Berührung mit ihr; das Gras, das auf ihrem Boden wuchs, war kurz und dünn. Die Kuhle war eine Narbe im Wald, ein leerer Fleck.
Fast leer, sagte sich Thargor.
In der Mitte, vom aufsteigenden Nebel teilweise verschleiert, erhob sich der große Steinring. Im Innern des Rings lag der Grabhügel.
Pithlit neigte den Kopf. »Die Musik hat wieder aufgehört. Warum?«
»Man kann verrückt darüber werden, solchen Sachen nachzugrübeln.« Thargor stieg ab und schlang Schwarzwinds Zügel um einen Ast. Der Renner war bereits unruhig geworden, und das, obwohl er sich ein Leben lang auf Pfaden bewegt hatte, die kein anderes Pferd kannte. Es hatte keinen Zweck, ihn weiter nach unten zu ziehen, näher zur Mitte der Stätte hin.
»Genauso
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