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Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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TH kann man sich ohnehin nichts anderes leisten.«
    Sie verstärkte den Fingerdruck, und das Grau ging in eine Schwärze über, die der Weltraum hätte sein können, wenn nicht die Sterne gefehlt hätten. »Ich hätte das schon längst machen sollen«, sagte sie. »Aber ich war immer so beschäftigt, so müde …«
    »Was machen sollen?« !Xabbus Ton blieb ruhig, aber unter der Geduld spürte sie eine leichte Anspannung. Egal, entschied sie, er mußte einfach warten. Er fuhr jetzt bei ihr mit.
    »Selber ein wenig Ursachenforschung betreiben«, sagte sie. »Zugriff rund um die Uhr auf das größte Informationssystem, das die Welt je gesehen hat, und dann lasse ich mir von jemand anders das Denken abnehmen.« Sie drückte, und eine Kugel aus leuchtend blauem Licht erstrahlte wie eine Propansonne im Herzen eines leeren Universums. »Diese Einheit müßte meine Stimme mittlerweile in- und auswendig kennen«, sagte sie, und dann mit deutlicher Aussprache: »Medizinische Information. Ab die Post.«
    Nachdem sie noch ein paar Befehle gegeben hatte, erschien vor ihnen im leeren Raum eine liegende menschliche Gestalt, ein merkwürdig konturloses Gebilde, rudimentär wie ein billiger Sim. Lichtfäden schlängelten sich hindurch und erhellten den Blutkreislauf, während eine ruhige Frauenstimme die Gerinnselbildung und den dadurch entstehenden Sauerstoffmangel im Gehirn beschrieb.
    »Wie Götter.« !Xabbu klang ein wenig perplex. »Nichts ist verborgen.«
    »Wir vergeuden hier unsere Zeit«, sagte Renie, ohne auf ihn einzugehen. »Wir wissen, daß bei Stephen keine pathologischen Anzeichen vorliegen – sogar seine chemischen Gehirnwerte sind normal, von etwas derart Offensichtlichem wie einem Blutgerinnsel oder einem Tumor kann also gar nicht die Rede sein. Hören wir auf mit diesem Lexikonkram und fangen wir an, nach wirklichen Informationen zu suchen. Medizinische Zeitschriften, vom heutigen Datum bis zwölf Monate zurück. Stichworte und/oder ›Koma‹, ›Kind…‹, ›Jugend…‹ – was noch? – ›Gehirntrauma‹, ›Stupor‹ …«
     
    Renie hatte eine schimmernde Zeitanzeige gerade noch gut sichtbar an den oberen Rand ihres Gesichtsfeldes gehängt. Die meisten Zugriffe lagen im Nahbereich, da die Informationen zum größten Teil direkt in den großen Infobanken des Netzes verfügbar waren, aber einige der Downloads waren mit Kosten verbunden, und die finanziell knapp gehaltene Mediathek von Pinetown würde außerdem einen zeitabhängigen Zuschlag berechnen. Sie waren bereits seit über drei Stunden online, und noch immer hatte sie nichts gefunden, was ihr das Gefühl gab, die Suche hätte sich gelohnt. !Xabbu hatte vor mindestens einer Stunde aufgehört, Fragen zu stellen, sei es, weil ihn die schwindelerregend wechselnden Schaubilder überwältigten, oder einfach aus Langeweile.
    »Nur wenige tausend Fälle wie seiner insgesamt«, sagte sie. »Ansonsten alles bekannte Ursachen. Bei zehn Milliarden Menschen sind das nicht viele. Verteilungsplan, gemeldete Fälle in Rot. Vielleicht schauen wir uns den nochmal an.«
    Das Raster aus leuchtenden Linien verschwand, und an seine Stelle trat eine von innen heraus schimmernde stilisierte Erdkugel – eine Frucht, rund und vollkommen, im freien Fall durchs Leere.
    Und wie sollten wir je wieder so einen Planeten finden? fragte sie sich, als ihr einfiel, was sie zu !Xabbu über Kolonisierung gesagt hatte. Das größte Geschenk, das es geben kann, und wie wenig pfleglich sind wir damit umgegangen.
    Scharlachrot leuchtende Punkte erschienen auf dem Globus und breiteten sich wie Schimmel aus, womit sie die chronologische Reihenfolge nachzeichneten, in der die Vorfälle aufgetreten waren. Die Bewegung wies keine erkennbare Ordnung auf, sondern ging anscheinend nach dem Zufallsprinzip über die ganze simulierte Erde hinweg, ohne Rücksicht auf Nähe oder Ferne. Wenn es eine Epidemie war, dann eine äußerst merkwürdige. Renie runzelte die Stirn. Als alle Punkte brannten, sagte das Muster noch immer nichts aus. Die höchsten Konzentrationen der Punkte lagen in den am dichtesten bevölkerten Gebieten, was keine Überraschung war. In den Erstweltländern Europas, Amerikas und des Pazifikgürtels waren sie zahlenmäßig geringer, aber weit über die Landmassen verstreut. In der Dritten Welt bildeten die Flecken fast ausschließlich an den Meeresküsten, Buchten und Flüssen glutrote Ballungsgebiete, die sie an einen Hautausschlag denken ließen. Kurzfristig meinte sie, sie hätte

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