Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten

Titel: Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
haben.«
    Er wandte ihr wieder seinen Blick zu und wurde auf einmal schüchtern. »Ich bin noch nie in einem Krankenhaus gewesen – aber das ist nicht der Grund, weshalb ich dich begleiten möchte«, setzte er hastig hinzu. »Ich möchte deinen Bruder kennenlernen.«
    »Ich wollte, du könntest ihn kennenlernen, ihn so kennenlernen, wie er war … ist.« Sie kämpfte mit den Tränen. »Es fällt mir manchmal schwer zu glauben, daß er da drin ist. Es ist qualvoll, ihn so sehen zu müssen …«
    !Xabbu nickte ernst. »Ich frage mich, ob es nicht härter ist, es so zu machen wie ihr und die Menschen, die man liebt, wegzubringen. Bei meinen Leuten bleiben die Kranken bei den anderen. Aber vielleicht wäre die Belastung noch größer, wenn du ständig mit ansehen müßtest, wie er Tag für Tag in diesem traurigen Zustand daliegt.«
    »Ich glaube, das könnte ich nicht ertragen. Ich frage mich, wie die andern Familien damit fertig werden.«
    »Andere Familien? Von Kranken?«
    »Von Kindern wie Stephen. Seine Ärztin meinte, es gäbe eine ganze Reihe anderer Fälle.«
    Etwas wie ein Schock durchlief sie, als ihr klarwurde, was sie da sagte. Zum erstenmal seit Tagen verging plötzlich das Gefühl der Hilflosigkeit, an dem auch !Xabbus geduldiges Zuhören nicht viel geändert hatte.
    »Jetzt ist Schluß damit«, sagte sie.
    Verblüfft von der Veränderung in ihrer Stimme blickte !Xabbu auf. »Schluß womit?«
    »Mit sitzen und sich sorgen. Darauf warten, daß mir irgendwer irgendwas sagt, wo ich doch selbst etwas unternehmen könnte. Warum ist Stephen das zugestoßen?«
    Der kleine Mann war verwirrt. »Ich bin kein Klinikarzt, Renie.«
    »Das ist genau der Punkt. Du weißt es nicht. Ich weiß es nicht. Die Arzte wissen es nicht. Aber es gibt andere Fälle – das haben sie selbst gesagt. Stephen wird in einem Krankenhaus behandelt, das unter Bukavu-4-Quarantäne steht, und die Ärzte dort arbeiten bis zum Umfallen. Könnte es nicht sein, daß sie etwas übersehen haben? Wie viel wirkliche Ursachenforschung haben sie denn betreiben können?« Sie schob ihre Karte in den Tisch und bestätigte dann die Rechnung auf dem lädierten Bildschirm per Daumenabdruck. »Willst du mit in die TH kommen?«
    »Aber die ist heute geschlossen.«
    »Verdammt.« Sie steckte die Karte zurück in die Tasche. »Aber macht nichts – der Netzzugang ist trotzdem offen. Ich brauche lediglich eine Station.« Sie dachte an ihr Heimsystem und wog die Bequemlichkeit gegen die Wahrscheinlichkeit ab, daß ihr Vater soeben in die Küche torkelte. Selbst wenn er, was nicht anzunehmen war, keinen Kater und keine schlechte Laune hatte, würde sie sich mit Sicherheit monatelang Bemerkungen über ihren »Buschmannverehrer« anhören müssen, wenn sie !Xabbu mit nach Hause brachte.
    »Mein Freund«, sagte sie und stand auf, »wir werden der Stadtmediathek von Pinetown einen Besuch abstatten.«
     
     
    > »Wir könnten uns das meiste davon auch über mein Pad holen«, erklärte sie, als der pummelige junge Mediathekar ihnen das Netzzimmer aufschloß, »oder über eines von hier. Aber dann hätten wir nur Text und flache Bilder, und ich arbeite einfach nicht gern auf die Art.«
    !Xabbu folgte ihr. Der Mediathekar beäugte den Buschmann über den Rand seiner Brille, zuckte mit den Schultern und schlich dann an seinen Schreibtisch zurück. Die wenigen alten Männer, die sich in Bildschirmkojen die Nachrichten anguckten, hatten sich bereits wieder der Farbbildberichterstattung über das jüngste Schwebebahnunglück auf dem Dekkanplateau in Indien zugewandt. Renie schloß die Tür, damit sie vor zermalmtem Metall, geplünderten Leichen und dem atemlosen Kommentar des Reporters Ruhe hatten.
    Sie zog ein trauriges Kabelgewühl aus dem Abstellschrank und begutachtete dann die nicht mehr ganz taufrischen Kopfarmaturen, bis sie zwei gefunden hatte, die in annehmbarem Zustand waren. Sie steckte die Finger in die Squeezer und befahl Netzzugang.
    »Ich sehe nichts«, sagte !Xabbu .
    Renie schob ihren Helm hoch, beugte sich vor und hantierte an !Xabbus Visette herum, bis sie den lockeren Kontakt gefunden hatte. Sie setzte sich ihren Helm wieder richtig auf, und das Grau des nackten Netzraums umgab sie.
    »Ich habe keinen Körper.«
    »Ich weiß. Das wird ein reiner Informationstrip, und ein ziemlich reduzierter obendrein – keine Kraftreflexion und folglich auch nicht das Gefühl, irgendwas zu berühren. Viel mehr bringt ein billiges Heimsystem nicht. Und als Dozentin an der

Weitere Kostenlose Bücher