Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
Vom Netzwerk:
umklammert hielt, und seine krächzende Stimme wurde lauter.
    »… So dunkel… so kalt… und alle weg, alle zusammengetrieben, weg durch die Fenster und Türen und über den Schwarzen Ozean …«
    Einige der Umstehenden schnappten nach Luft und raunten. Ein Schauder kroch Paul das Rückgrat hinauf, der nichts mit der Speerspitze in seinem Rücken zu tun hatte. Der Schwarze Ozean … er hatte diesen Ausdruck schon einmal gehört …
    »… Wo sind sie?« Die rußigen Finger des Jungen kratzten über den Zeltboden, griffen ins Leere. »Ich habe nur noch das Dunkel. Die Stimme, der Eine … hat sie alle durch die Fenster weggeholt…«
    Die Stimme sank wieder zu einem Flüstern ab. Paul beugte sich näher heran, aber konnte in den ersterbenden, raschelnden Tönen, die schließlich unhörbar wurden, keine Worte mehr ausmachen. Die heftigen Zuckungen legten sich. Er musterte die bleichen Züge des Jungen. Der hängende Mund war wieder nur noch ein Kanal für den pfeifenden Atem. Paul hatte gerade die Hand gehoben, um noch einmal die Stirn des Jungen zu berühren, als dieser plötzlich die Augen aufschlug.
    Schwarz. Schwarz wie Löcher, schwarz wie die Nacht, schwarz wie das Innere eines Schrankes, wenn die Tür zuklappt. Der Blick irrte einen Moment ziellos umher, und jemand hinter ihm schrie angstvoll auf. Dann richteten sich die beiden Pupillen auf ihn und fixierten ihn.
    »Paul? Wo bist du?« Es war ihre Stimme, die qualvolle Musik so vieler Träume. Als er sie hier an diesem Schattenort hörte, war ihm, als bliebe ihm vor Schreck das Herz stehen. Einen Augenblick lang konnte er nicht atmen. »Du hast gesagt, du würdest zu mir kommen – du hast es versprochen.« Bebend faßte der Junge seine Hand, und sein Griff war stärker, als Paul ihn so kleinen Fingern je zugetraut hätte. »Bevor du den Berg erreichen kannst, mußt du das Haus des Irrfahrers finden. Du mußt dich zum Haus des Irrfahrers begeben und die Weberin befreien.«
    Als er endlich wieder Luft bekam, saugte er sie ein wie ein aus Ozeantiefen auftauchender Mann und versuchte dabei, aufzustehen und sich dem Griff des Kindes zu entwinden. Wie ein Fisch an der Angel hing der Junge an Paul und ließ sich von ihm halb in die Höhe ziehen, doch dann erlahmte seine Hand, und er fiel stumm und schlaff zurück, die Augen wieder geschlossen. Er hatte etwas in Pauls Hand zurückgelassen.
    Paul konnte nur eine Sekunde lang erschrocken die Feder anstarren, die in seiner sich öffnenden Hand lag, als er einen so wuchtigen Schlag seitlich an den Kopf bekam, daß er auf die Knie sackte. Hinter ihm entstand ein lauter Tumult, doch ihm kam er so fern wie ein altes Gerücht vor; dann stürzte sich ein schwerer Körper auf ihn, und Finger schlossen sich um seine Kehle.
    Er konnte nicht erkennen, mit wem er kämpfte, und es war ihm auch gleichgültig. Er schlug und strampelte, um das brutale, unfaire Gewicht abzuschütteln, das auf ihm lag. Ringsherum sah er nur helle und dunkle Streifen und hörte nur ein unverständliches Lärmen, doch die dröhnende Schwärze in seinem Kopf legte sich rasch über alles andere. Er kämpfte mit einer Kraft, die er gar nicht bei sich vermutet hatte, und eine der würgenden Hände glitt von seinem Hals ab. Als sie ihren Griff nicht wieder ansetzen konnte, krallte und stieß sie statt dessen nach seinem Gesicht. Er versuchte sie wegzureißen, dann warf er sich um Luft ringend nach vorn, als ob er in tiefem Wasser wäre – doch seine Atemlosigkeit blieb ihm und ließ sich nicht abschütteln. Etwas Scharfes schrammte an seiner Seite entlang und hinterließ eine kalte Spur, und der schmerzhafte Schnitt dämpfte sein Toben ein wenig.
    Er rollte sich weg, bis er irgendwo anstieß, und versuchte dann aufzustehen. Der nach seinem Gesicht schnappende Gegner wich wieder zurück, und abermals stach ihn etwas Kaltes und Scharfes in die Seite. Paul machte einen Satz, und der Klammergriff von hinten konnte ihn nicht halten. Das Licht veränderte sich, als er vornüber fiel, und die Geräusche ringsherum hatten auf einmal einen Hall.
    Etwas Helles war direkt neben seinem Kopf. Er war von Wut erfüllt, einem erbitterten Zorn, der, wie er merkte, lange in ihm eingesperrt gewesen war und jetzt ausbrach. Als er begriff, daß die Helligkeit von einem kleinen Lagerfeuer kam, daß er aus dem Zelt hinausgestürzt war, stieß er die an seinem Rücken hängende mörderische Gestalt mit einer schnellen Drehung in den Steinring. Mit einem Schrei, der dem des Hirsches

Weitere Kostenlose Bücher