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Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer

Titel: Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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ganz woanders her, da bin ich ziemlich sicher. Kannst du uns helfen?«
    Das Mädchen setzte an, etwas zu sagen, aber neigte auf einmal den Kopf. Etwas weiter weg riefen Stimmen. »Sie suchen nach mir.« Sie legte grübelnd die Stirn in Falten. »Kommt hinter uns her. Laßt euch von niemand sonst sehen. Ihr seid mein Geheimnis.« Ein verschmitzter Blick huschte über ihr Gesicht, und plötzlich sah sie viel mehr wie ein Kind als wie eine Erwachsene aus. »Wartet am Rand des Maisfelds, wenn wir da sind. Ich werde zurückkommen und euch holen.« Sie entfernte sich einen Schritt, dann schaute sie noch einmal mit begeisterter Miene zurück. »Noch mehr Fremde! Ich komme euch holen.«
    »Wie heißt du?« fragte Renie.
    »Emily natürlich.« Die junge Frau machte zum Scherz einen ungeschickten Knicks und lachte schelmisch, eigenartig überdreht.
    »Aber du hast doch Emily gerufen, als du uns hörtest – deine Freundin oder was weiß ich.« Die Stimmen wurden lauter. Renie trat zurück in den Schatten und erhob ihre flüsternde Stimme, damit sie zu verstehen war. »Heißt deine Freundin auch Emily?«
    »Natürlich.« Verwirrt kniff das Mädchen die Augen zusammen und ging dabei rückwärts auf die nach ihr rufenden Stimmen zu. »Dumme Frage. Alle heißen Emily.«
     
    Sie mußten nicht lange am Rand des Maisfelds warten. Renie hatte kaum Zeit, sich die riesigen Fabriksilos und die Bruchbuden zu betrachten, die an ein Township in den industriellen Außenbezirken von Johannesburg erinnerten, und sich abermals um Cullens Zustand zu sorgen, als Emilys schlanker Schatten sich schon über den ungepflasterten Hof auf sie zustahl.
    !Xabbu erschien genau im gleichen Moment wieder an Renies Seite, aber hatte keine Zeit mehr, ihr zu berichten, was er auf seinem kurzen Spähgang gesehen hatte, bevor das Mädchen bei ihnen war und sogleich mit einem leisen, aber kaum zu unterbrechenden aufgeregten Geplapper loslegte.
    »Wußt ich’s doch, daß heute ein Tag wird, wo was passiert, wußt ich’s doch! Kommt jetzt mit, folgt mir. An zwei Tagen hintereinander gab’s Karamellpudding, nicht wahr? Und gar nicht als Weinaxfreude, weil, die war schon ein paar Tage vorher – im Dunkelkalt zählen wir natürlich immer die Tage bis zur Weinaxfreude, aber ich kann mich nicht mehr erinnern, wie viele Tage es waren seitdem.« Ohne mehr als unbedingt nötig darauf zu achten, daß sie nicht entdeckt wurden, führte das Mädchen sie über einen weitläufigen Hof, auf dem überall die eckigen Formen abgestellter Maschinen zu sehen waren. Sie holte nur kurz Atem, bevor sie weiterredete. »Aber es war einfach so, nochmal Karamellpudding! Und die Lustigmusik war nicht das Falalala, daran hab ich gemerkt, daß nicht schon wieder die Weinaxfreude dran war, und überhaupt wäre es viel zu früh gewesen. Und dann war noch das Es-kommt – ganz schrecklich schlimm war das –, und da dachte ich, vielleicht ist das die seltsame Sache, die heute passieren sollte, aber ihr ward das! Sowas!«
    Renie verstand sehr wenig von alledem, aber dachte sich, daß hier wahrscheinlich wichtige Informationen zu holen waren. »Wo hast du dieses Ding her? Den kleinen … Edelstein oder Kristall?«
    Emily drehte sich um und schaute sie mit mißtrauisch zusammengekniffenen Augen an. Doch als ob der Wind gewechselt hätte, hatte sie gleich darauf anscheinend beschlossen, die Fremden für vertrauenswürdig zu halten. »Mein hübsches Ding. Er hat mir das gegeben. Er war meine andere Überraschung, aber er war die erste. Ihr seid die zweite. Und schon zweimal den Monat Karamellpudding!«
    »Wer war… er?«
    »Der andere Fremde, dumme Frage. Hab ich euch doch erzählt. Der fremde Henry.«
    »Henry? Hieß er so?«
    Ihre Führerin seufzte mit theatralischer Leidensmiene. »Sie heißen alle Henry.«
    Emily, stellte sich schließlich heraus, war eigentlich Emily 22813. Alle Frauen, die an diesem Ort lebten und arbeiteten, hießen Emily beziehungsweise waren »Emilys«, weil der Name zugleich die Bezeichnung für Frauen im allgemeinen war. Und alle Männer waren Henrys. Emily 22813 und ihre Kolleginnen – Renie schloß aus der Größe dieser Industriefarm, daß dort Hunderte leben mußten – brachten ihre Tage damit zu, Bohnen, Mais und Tomaten zu pflanzen und zu pflegen.
    »Weil der König das so will«, war die einzige Erklärung, die Emily auf die Frage gab, warum sie und die anderen unter Bedingungen arbeiteten, die Renie ausgesprochen sklavenhalterisch vorkamen.
    Die Stadt selbst

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