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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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vorkommen«, bemerkte er, als ob er Renies Gedanken gelesen hätte. »Von unserer Ebene aus ist es einfacher, nicht wahr, zum Glockenturm der sechs Schweine hochzusteigen. Leichter, aber auch weiter, doch, doch. Wir können durch die oberen Stockwerke zum Turritorium zurückkehren. Deshalb gehen wir zuerst zu dem weiter entfernten Ort. Dabei ist der Glockenturm selbst durchaus nicht uninteressant, denn …«
    »Eine Freundin von uns schwebt in Lebensgefahr.« Renie konnte nicht noch einen baukundlichen Vortrag aushalten. »Es kümmert uns nicht, was hier interessant ist. Eine Stunde kann entscheidend sein.«
    Er hob eine lange, dünne Hand. »Selbstverständlich. Entscheidend. Ich wollte euch nur über mein Vorgehen in Kenntnis setzen.« Er drehte sich mit steifer Würde um und führte sie weiter die Flußpromenade entlang.
    Florimel, die zwischen T4b und Emily gegangen war, ließ sich zurückfallen. »Ich bin froh, daß du das mal deutlich ausgesprochen hast, Renie. Gut zu wissen, daß wir diesen Mönch nicht nur auf einer Spaziertour begleiten.«
    Renie schüttelte den Kopf. »Wir haben noch nicht mal drüber nachgedacht, was wir machen, wenn wir sie finden. Falls wir sie finden.«
    »Es bringt nichts, sich den Kopf zu zerbrechen, wenn man nicht Bescheid weiß. Wir sollten abwarten, bis wir die Situation sehen.«
    »Du hast recht. Es ist bloß … ich hab so ein komisches Gefühl. Ich denke ständig, jemand beobachtet uns.«
    »Mir geht’s genauso.« Florimel grinste säuerlich über Renies Gesichtsausdruck. »Das ist eigentlich nicht verwunderlich. Ich glaube, wir beide sind uns sehr ähnlich – immer machen wir uns um andere Leute Sorgen. Immer haben wir die Verantwortung dafür, daß andern nichts passiert.« Sie streckte die Hand aus und gab Renie ein wenig linkisch einen zaghaften Klaps auf den Arm. »Vielleicht hatten wir deshalb vorher Konflikte. Es ist schwer, sich zu arrangieren, wenn zwei Leute gewohnt sind, dieselbe Position einzunehmen.«
    Renie war sich nicht ganz sicher, ob die Erklärung, sie sei Florimel ähnlich, ein Kompliment war, aber sie beschloß, es als solches zu nehmen. »Du hast wahrscheinlich recht. Aber du hast … dieses Gefühl auch? Daß wir beobachtet, ja verfolgt werden?«
    »Ja. Aber ich habe nichts dergleichen gesehen. Ich bedauere es sehr, daß Martine nicht bei uns ist. Ich hätte fast gesagt, ich fühle mich blind ohne sie, aber ich fürchte, das würde sich wie ein geschmackloser Witz anhören.«
    Renie schüttelte den Kopf. »Nein, es ist wahr.«
    »Ich geh jetzt wieder nach vorn, zu den Jüngeren. Mir ist wohler, wenn ich in ihrer Nähe bin.«
    Zuerst dachte Renie, der anderen Frau wäre wohler wegen T4bs Größe und seiner imposanten gepanzerten Erscheinung, doch dann begriff sie, daß sie etwas ganz anderes gemeint hatte. »Mir geht’s genauso. Verantwortung – manchmal kann sie einem zuviel werden, was?«
    Abermals lächelte Florimel, diesmal ein wenig freundlicher. »Wir wüßten nicht, was wir ohne anfangen sollten, glaube ich.«
    Kurze Zeit später führte Factum Quintus sie um eine Flußbiegung und auf eine weitläufige Freifläche, die im ersten Moment der Eintritt in eine Höhle aus blankem Marmor zu sein schien, deren weißer Boden mit kleinen Gebäuden übersät war.
    »Die Große Flußtreppe«, verkündete der Mönch. »Schockierend, wie lange ich nicht mehr hier war.«
    Renie sah, daß die breite Fläche tatsächlich den Vorplatz zu einem gewaltigen düsteren Treppenschacht darstellte, der vom Fluß weg nach oben führte. Die neueren Bauten beiderseits davon, hingehudelte Konstruktionen aus Holz und rohen Steinen, verdeckten die Pracht der Treppe fast völlig.
    »Aber … aber sie ist ja ganz zugebaut«, sagte Renie erstaunt. »Sieh doch, sogar auf die Treppe selbst haben die Leute kleine Hütten hingestellt.«
    Bruder Factum Quintus betrachtete sie pfiffig, und einen Moment lang verzog ein Ausdruck der Belustigung sein spitzes, unschönes Gesicht. »Wer sollte sie daran hindern?« fragte er milde. »Das Haus ist für diejenigen da, die darin wohnen. Unbedingt. Die Baumeister, falls es sie gibt, haben niemals etwas gegen spätere Bewohner einzuwenden gehabt.«
    »Aber du liebst alte Sachen. Macht es dich nicht traurig, wenn sie dermaßen zugebaut werden?« Renie verstand etwas nicht richtig, aber sie konnte nicht sagen, was. »Sollten sie nicht … erhalten werden oder so?«
    Der Mönch nickte. »In einem idealen Haus würden wir Klosterbrüder vielleicht

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