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Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas

Titel: Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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wurde allem Anschein nach schon lange nicht mehr gepflegt: Eine gesichtslose, von Wind und Wetter abgewetzte Statue stand in einer Nische, die von den Resten längst verwelkter Narzissen völlig eingestaubt war, umgeben von Zypressenzweigen, die so trocken waren, daß sie jeden Geruch verloren hatten.
    Während er im Gespräch mit göttlichen Mächten vor dem vergessenen Heiligtum in der Mulde am Hang stand, die Luft drückend und still bis auf das ewige Atmen des Meeres, betete er sicherheitshalber auch für sich selbst. Gewiß, dies war bloß eine Simulation, das aufwendige Machwerk von Menschen, wie er einer war, und somit betete er letzten Endes zu einem Team von Gearingenieuren und Grafikdesignern, aber sein Boß in der Tate Gallery hatte ihm oft eingeschärft, die Verdrehtheit und Selbstverliebtheit von Künstlern niemals zu unterschätzen.
     
     
    > Benommen erwachte er aus einem Traum von Gally und wußte im ersten Augenblick nicht, wo er war.
    Er befühlte den Boden. Er lag auf Sand, und im Westen, wo die Sonne hinter den Hügeln untergegangen war, glomm ein schwaches, ersterbendes Licht. Er war beim Warten am Strand eingeschlafen.
    Der verlorene Junge war ihm in seinem Traum als der noch unbekannte Telemachos erschienen, ein schöner Jüngling mit schwarzen Ringellocken, der aber Gallys listigen Gassenbengelblick gehabt hatte. Er war auf einem dunklen Fluß in einem kleinen Boot durch treibende Nebelschwaden gepaddelt und hatte Pauls Namen gerufen. Der Drang, auf ihn zuzueilen, war stark gewesen, aber irgendeine Lähmung im Traum hatte Paul daran gehindert, sich zu bewegen oder auch nur zu antworten, während der Junge in einer Wolke aus weißem Nichts entschwand.
    Jetzt hatte er Tränen der Hilflosigkeit auf den Wangen, ganz kühl im Abendwind vom Meer, aber allem Jammer zum Trotz verspürte er auch eine Bestätigung: Dieser Traum von Gally auf dem Unterweltsfluß bedeutete bestimmt, daß er richtig handelte. Während Paul sich aufsetzte und den Schlaf abschüttelte, faßte er sich langsam wieder. Der Strand war leer bis auf ein paar Fischerboote, deren Besitzer sich schon lange zum Abendessen begeben hatten. Meer und Himmel verschmolzen zusehends zu einer einzigen dunklen Masse, und das Feuer, das er am Nachmittag mit viel Mühe entzündet hatte, flackerte nur noch schwach. Paul sprang auf, und wie er gesagt bekommen hatte, legte er erst Zypressenzweige und dann größere Stücke Treibholz nach, bis die Flammen wieder hoch aufloderten. Als er diese Arbeit getan hatte, war das Sonnenlicht gänzlich erloschen und strahlten die Sterne von einem Himmel herab, der nicht durch die in Pauls Zeitalter allgegenwärtige künstliche Beleuchtung eingegraut war.
    Als ob sie darauf gewartet hätten, daß alles ordentlich vorbereitet war, drangen jetzt von weiter unten am Strand Stimmen an sein Ohr.
    »Dort, wo das Feuer brennt – siehst du es, Herrin?«
    »Aber das ist sehr sonderbar. Bist du sicher, daß es keine Räuber oder Piraten sind, die dort ein Lager aufgeschlagen haben?«
    Paul stand auf. »Hierher, Penelope«, rief er. »Du brauchst keine Furcht vor Räubern zu haben.«
    Penelope trat aus der Dunkelheit, das Schultertuch fest um sich gezogen, und im Feuerschein sah man ihren Blick tiefer Befremdung. Trotz ihres Alters und ihrer kürzeren Beine folgte Eurykleia ihr dicht auf dem Fuße.
    »Ich bringe sie, Herr«, verkündete die Dienerin. »Wie du befohlen hast.«
    »Danke.« Er hatte das Gefühl, etwas Poetischeres sagen zu sollen, aber für derartige Sachen fehlte ihm die Begabung. Seine persönliche Homerübersetzung würde leider prosaisch bleiben müssen.
    Penelope lachte nervös. »Ist das ein Komplott? Hast du, meine älteste und liebste Dienerin, mich an diesen Fremden verraten?«
    »Du erkennst mich also immer noch nicht?« Paul schüttelte den Kopf. »Es spielt keine Rolle. Dir wird nichts geschehen, das verspreche ich. Ich schwöre es bei allen Göttern. Bitte, setz dich.« Er holte tief Atem. Es war ihm so einleuchtend vorgekommen, als er es geplant hatte – seine Entscheidung, den Kampf gegen die Simulation aufzugeben, sich vielmehr darauf einzulassen und so diese Frau auf schmerzlosem Wege wieder zur Vernunft zu bringen, damit sie ihm von Nutzen sein konnte, wie ihr Alter ego es zweifellos beabsichtigt hatte. »Und zwar«, erklärte er, »werde ich die Götter um Hilfe anrufen.«
    Penelope warf Eurykleia einen scharfen Blick zu, dann ließ sie sich würdevoll im Sand nieder. Ihr dunkles

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